Familienmigration
Die Familie ist ein wesentlicher Treiber von Migration. Familienmigration ist der Begriff, der verwendet wird, um die Migration von Menschen zu kategorisieren, die aufgrund neuer oder etablierter Familienbindungen migrieren. Sie umfasst mehrere Unterkategorien: die Zusammführung mit einem früher ausgewanderten Familienmitglied (eine Person mit subsidiärem Schutz hat auch das Recht, sich mit Familienmitgliedern (wieder) zu vereinigen); die Familie, die eine Hauptmigrantin oder einen Hauptmigranten begleitet; die Ehe zwischen einem Einwanderer und einem Staatsbürger; die Ehe zwischen einem Einwanderer und einem im Ausland lebenden Ausländer und internationale Adoptionen.
Im Allgemeinen gibt es nur sehr wenige Daten über die Familienmigration, und die Programme zur (Wieder-)Vereinigung der Familie stellen die wichtigste Möglichkeit dar, solche Daten zu erheben. Diese Programme wurden entwickelt, um das in Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerte Recht auf eine Familie zu gewährleisten. Die Daten zur Familienmigration basieren auf Visa und Aufenthaltstiteln für Familienangehörige sowie auf Melderegistern.
Definitionen
Der allgemeine Begriff Familienmigration umfasst Familienzusammenführung, Familiengründung, begleitende Familienangehörige von Arbeitnehmern und internationale Adoption. Zu den Schlüsselbegriffen und Konzepten gehören:
Familienzusammenführung „ist ein Prozess, bei dem sich durch erzwungene oder freiwillige Migration getrennte Familienmitglieder in einem anderen Land als dem ihrer Herkunft zusammenschließen“ (IOM, 2011).
Familiengründung bezieht sich auf die Situation, in der „ein gebietsansässiger, inländischer oder ausländischer Bürger einen Ausländer heiratet und dadurch dessen Aufnahme oder eine Änderung dessen Status begünstigt“ (OECD, 2017).
Begleitende Familienangehörige „bezeichnet Familienmitglieder [die] zusammen mit der Hauptmigrantin oder dem Hauptmigranten aufgenommen werden“ (OECD, 2017).
Internationale Adoption liegt vor, wenn ein „Gebietsansässiger, Staatsangehöriger oder Ausländer ein Kind ausländischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz im Ausland adoptiert“ (OECD, 2017).
Hauptantragsteller „ist die Person, die den Flüchtlingsstatus oder einen anderen Einwanderungsstatus beantragt. Die allgemeine internationale Praxis ist, dass Angehörige (in der Regel ein Ehepartner und minderjährige Kinder) als sekundäre Antragsteller gelten und den gleichen Status erhalten wie der Hauptantragsteller“ (IOM, 2011).
Abhängig wird allgemein verwendet, wenn „jemand sich darauf verlässt, dass ein anderer ihn unterstützt. Im Migrationskontext werden Ehepartner und minderjährige Kinder in der Regel als „Abhängige“ betrachtet, auch wenn der Ehepartner nicht finanziell abhängig ist“ (IOM, 2011).
Familienmitglieder sind „Personen, die mit Arbeitsmigranten verheiratet sind oder mit ihnen eine Beziehung haben, die nach geltendem Recht gleichwertige Wirkungen wie eine Ehe hat, sowie ihre unterhaltsberechtigten Kinder und andere unterhaltsberechtigte Personen, die durch geltende Gesetze oder geltende bi- oder multilaterale Vereinbarungen zwischen den betroffenen Staaten als Familienmitglieder anerkannt werden“ (IOM, 2011).
Der Umfang der Familienzusammenführung hängt vom nationalen Recht ab. So können beispielsweise einige Länder gleichgeschlechtliche Partner (registriert oder verheiratet) oder unverheiratete Partner einbeziehen, während andere dies nicht tun (Europäisches Migrationsnetzwerk, 2017). Daher variiert die Definition für Familienmitglieder je nach Land.
Transnationale Familien sind „Familien, die getrennt leben, aber ein „Gefühl von kollektiver Fürsorge und Einheit, kurz „Familienzugehörigkeit“, auch über nationale Grenzen hinweg schaffen und bewahren““ (Bryceson und Vuorela, 2002 in ACP, 2012).
Aktuelle Trends
Die Daten zur Familienmigration in Entwicklungsländern sind entweder nur in geringem Maße oder fragmentarisch vorhanden, da es an Kapazität oder politischem Willen zur Datenerhebung mangelt (siehe Abschnitt „Stärken und Schwächen der Daten“). Für Länder im Bereich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind jedoch Daten zur Familienmigration verfügbar. Im ersten Halbjahr 2020 gingen die Migrationsströme in die meisten OECD-Länder aufgrund von Beschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zurück, ohne jedoch vollständig zum Stillstand zu kommen. Zuwanderung setzte sich aufgrund von Migrantinnen und Migranten fort, denen aufgrund der geltenden Ausnahmen die Einreise gestattet wurde - darunter Migrantinnen und Migranten, die aus familiären Gründen reisen. Beispielsweise hat Irland unter anderem die Visumsanträge von Migrantinnen und Migranten bearbeitet, die unmittelbare Familienangehörige irischer Staatsangehöriger waren (OECD, 2020).
Im Jahr 2017 stieg die Zahl der Menschen, die aus familiären Gründen, zur Familienzusammenführung oder -gründung migrierten, um 11 Prozent auf 2 Millionen (OECD, 2019). Die Zahl der begleitenden Familienmitglieder betrug im Jahr 2017 253.000 (ebd.).
Im Jahr 2018 entfielen 41 Prozent (1,9 Millionen Migrantinnen und Migranten) der gesamten Zuwanderung in OECD-Ländern auf Familienmigration (OECD, 2020). Familienmigration stieg leicht von 40 Prozent im Jahr 2017 auf 41 Prozent im Jahr 2018, ging jedoch in absoluten Zahlen leicht zurück von fast 2 Millionen im Jahr 2017 auf 1,9 Millionen im Jahr 2018. Die Anzahl der Familienmitglieder, die Wanderarbeitnehmerinnen und Wanderarbeitnehmer begleiteten, umfasste im Jahr 2018 262 300 Personen (ebd).
Die Vereinigten Staaten machten im Jahr 2018 40 Prozent (768 300) der gesamten Familienmigration in OECD-Länder aus, was einem Rückgang von 3 Prozent im Vergleich zu 2017 entspricht (OECD, 2020). Im Jahr 2018 nahm der Zustrom von Familienmigrantinnen und -migranten in OECD-Ländern wie Großbritannien, Luxemburg, Japan und den Niederlanden zu. Neben den USA war in Neuseeland ein starker Rückgang der Migration aus familiären Gründen zu beobachten (ebd.).
Von 2014 bis 2018 nahm die Familienmigration in einigen Ländern des OECD-Raums zu (OECD, 2017; 2020). Die Familienmigration ging jedoch aufgrund des Rückgangs der Familienzusammenführungsprogramme in einigen OECD-Ländern zurück (OECD, 2019). Dennoch hat kein Land eine endgültige Beschränkung der Familienmigration eingeführt, obwohl es in den Vereinigten Staaten kürzlich Überlegungen zur möglichen Beendigung der Migration aus familiären Gründen gab (MPI, 2017).
Trotz der bestehenden rechtlichen Instrumente und -programme, die das Recht auf ein Familienleben gewährleisten, betrug der Anteil der Nicht-EU-Bürger in der Europäischen Union, die nicht bei ihren Ehepartnern oder Partnern leben, im Jahr 2012 5 - 7 Prozent der zusammenlebenden Paare. Dieser Anteil der „getrennt lebenden Partner“ ist deutlich höher als bei EU-Bürgern (MIPEX, 2014). Während politische Richtlinien zur Familienzusammenführung in den meisten von MIPEX abgedeckten Ländern seit 2015 weitgehend gleich geblieben sind, haben sieben Länder ihre Beschränkungen erhöht (MIPEX, 2020).
Datenquellen
Sowohl die Bewegungs- als auch die Bestandsdaten zur Familienmigration basieren überwiegend auf nationalen Verwaltungsakten. Familienmigrationsbewegungen werden aus Einreisegenehmigungen, ersten Aufenthaltstiteln oder Melderegistern abgeleitet. Die Bestandsdaten zur Familienmigration basieren auf dem Bestand an Genehmigungen oder dem Bestand an langfristig Aufenthaltsberechtigten. Einige Länder kombinieren administrative und spezifische Erhebungsdaten zur Familienmigration, z. B. dem „International Passenger Survey“ (IPS), um die Qualität der Daten zu verbessern. Daten zur Familienmigration werden auch mithilfe von Stichprobenerhebungen wie jährlichen Bevölkerungserhebungen, Arbeitskräfteerhebungen oder Befragungen über Einkommen und Lebensbedingungen erhoben. Daten, die durch Einzelerhebungen oder ethnografische Studien erhoben werden, ermöglichen die Erfassung detaillierter Daten, um die grenzüberschreitenden Familienstrukturen besser zu verstehen.
Die folgenden Datenbanken führen Bewegungs- oder Bestandsdaten zur Familienmigration zusammen:
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) führt Daten über Migrationsbewegungen aus familiären, beruflichen und humanitären Gründen zusammen. Der Datensatz der OECD über permanente Zuwanderungsströme stammt von Eurostat (siehe unten) und aus Drittländern. Der Datensatz wird halbjährlich aktualisiert.
Die OECD erstellt auch Statistiken über permanente Migrationsbewegungen im OECD-Raum, die auf dem oben genannten Datensatz basieren, der im International Migration Outlook der OECD dargestellt wird. Dieser Bericht enthält darüber hinaus Schätzungen zur Familienmigration für die OECD-Länder und wird jährlich aktualisiert.
Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Union stellt Daten über Asyl und gesteuerte Migration zusammen, die in erster Linie auf Verwaltungsquellen beruhen, die von den nationalen Statistikbehörden der EU-Mitgliedstaaten, den Innenministerien oder zugehörigen Einwanderungsbehörden sowie von Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz bereitgestellt werden. Die Datenbank über Asyl und gesteuerte Migration enthält die folgenden Datensätze:
- Erste Bewilligungen, die zur Familienzusammenführung mit einer Person, die Schutzstatus genießt, erteilt werden
- Erste Genehmigungen, die aus familiären Gründen erteilt werden, nach Gültigkeitsdauer des Titels und Staatsbürgerschaft
- Änderung der Genehmigungen des Einwanderungsstatus, nach Grund und Staatsbürgerschaft
- Aufgenommene Familienangehörige von Inhabern der Blauen Karte der EU, nach Art der Entscheidung und Staatsbürgerschaft
- Inhaber der Blauen Karte der EU und Familienangehörige, nach Mitgliedstaat des vorherigen Wohnsitzes
- Zum Ende des Jahres geltende Genehmigungen zur Familienzusammenführung mit einer Person, die Schutzstatus genießt
Diese vorgenannten Daten sind nach Geschlecht und Alter aufgeschlüsselt. Die Daten werden überwiegend jährlich aktualisiert.
Der Migrationsintegrationspolitikindex (MIPEX) misst die Integrationspolitik von Einwanderern, einschließlich der Migrantinnen und Migranten, die aus familiären Gründen migrieren. Es gibt derzeit 8 politische Indikatoren, die politische Maßnahmen messen. In den Jahren 2011/2012 wurde im Rahmen des MIPEX eine Umfrage durchgeführt, um zu messen, wie leicht es für Migrantinnen und Migranten ist, mit ihren Familien zusammengeführt zu werden. Daten zur Familienzusammenführung liegen für Australien, Kanada, Island, Japan, Neuseeland, Norwegen, Republik Korea, die Schweiz, die USA, die EU-Mitgliedstaaten und die Türkei vor. Die Daten zur Familienzusammenführung für 2011/2012 wurden zuletzt im Jahr 2014 aktualisiert.
Stärken und Schwächen der Daten
Vor dem Hintergrund des aktuellen politischen Klimas, in dem die Migration aus familiären Gründen in einigen Ländern im Zusammenhang mit irregulärer Migration oder der Belastung des Sozialsystems eines Gastlandes diskutiert wird, sind detaillierte Daten zur Familienmigration von besonderer Bedeutung, um diesen besonderen Mythen mit datenbasierten Überlegungen zu begegnen.
Die vorhandenen Datenquellen zur Familienmigration sind wertvolle Grundlagen, aber eine weitere Verbesserung der Verfahren zur Datenerhebung und Harmonisierung ist unerlässlich. Bei der Verfolgung dieser Verbesserungen gibt es, unter anderem, folgende Einschränkungen, die den Prozess behindern:
Es gibt keine weltweit vergleichbare Datenbasis zur Familienmigration, die alle Länder und Regionen der Welt abdeckt. Dies ist auf fehlende Daten aus den meisten Entwicklungsländern zurückzuführen. Die Daten in diesen Ländern fehlen aufgrund mangelnder Kapazitäten zur Erhebung, Verarbeitung und Verbreitung von Daten über Familienmigration. Und selbst wenn Daten verfügbar sind, ist es aufgrund inkonsistenter methodischer Rahmenbedingungen häufig schwierig, Datensätze unterschiedlicher Herkunft zu integrieren und zu harmonisieren.
Über die aktuelle Dynamik der Familienmigration und über die Auswirkungen der Migrationspolitik bei ihrer Gestaltung ist noch wenig bekannt (OECD, 2017). Das ist so, obwohl in einigen Regionen der Welt Daten zur Familienmigration verfügbar sind. Darüber hinaus wurde die Datengrundlage hinsichtlich der sozioökonomischen demografischen Merkmale der Familienmigration in einigen Ländern nicht aktualisiert. So stammen beispielsweise in den Vereinigten Staaten die jüngsten Erhebungen über soziodemografische Merkmale der Familienmigration aus den 2000er Jahren (ebd.).
Aus Verwaltungsakten abgeleitete Statistiken ergeben kein vollständiges Bild des Zustroms von Familienmigrantinnen und -migranten (GMG 2017). Denn obwohl administrative Datenquellen Schätzungen zur Familienmigration ermöglichen, beziehen sich Statistiken aus Melderegistern und der Erteilung von Aufenthaltstiteln nicht auf Personen, sondern auf Verwaltungsakten (ebd.). Wenn beispielsweise der dem Familienoberhaupt erteilte Aufenthaltstitel die Angehörigen umfasst, wird die Anzahl der erteilten Aufenthaltstitel über ein Jahr nicht der Anzahl der Familienmigranten entsprechen. Einige Länder ergreifen Initiativen, um dieses Problem zu lösen. Sie planen, verschiedene Datentypen (Erhebungsdaten und Verwaltungsakten) zu kombinieren, um die Qualität der Migrationsdaten zu verbessern.
Es gibt nur wenige Daten über transnationale Familien. Obwohl diesen Familienstrukturen in den letzten Jahren immer mehr Bedeutung zukommt, gibt es immer noch wenig Wissen über den Umfang und die Dynamik dieser Familienstrukturen im Migrationskontext. Eine evidenzbasierte Politik ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Migration eines Familienmitglieds nicht dazu führen muss, dass die im Heimatland zurück Gebliebenen leiden.
Die Daten zur Familienemigration sind derzeit unvollständig, da die meisten Länder nur über begrenzte Kapazitäten verfügen oder nicht den politischen Willen haben, Daten zur Familienauswanderung zu erheben. Daher fehlt den politischen Entscheidungsträgern eine ausreichende Datengrundlage, um die Prozesse der Familienemigration zu erleichtern.
Further reading
Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) | |
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2017 | Making Integration Work: Family Migrants, OECD, Paris. |
2019 | International Migration Outlook, OECD, Paris. |
International Organization for Migration (IOM) | |
2019 | World Migration Report 2020, IOM, Geneva. |
Castro Martin, T., J. Koops, and D. Vono de Vilhena (eds.) | |
2019 | Migrant Families in Europe: Evidence from the Generations & Gender Programme. Discussion Paper No. 11, Berlin: Population Europe. |
Niskanen Center | |
2017 | Overview of Family-Based Immigration and the Effects of Limiting Chain Migration, Niskanen Center, Washington, D.C. |
Fan, C. and M. Sun and S. Zheng | |
2011 | Migration and split households: A comparison of sole, couple, and family migrants in Beijing, China, Environment and Planning A, 43: 2164-2185. |
European Migration Network (EMN) | |
2017 | Family Reunification of Third-Country Nationals in the EU plus Norway: National Practices, EMN, Dublin. |
Confederation of Family Organizations in the European Community (COFACE) | |
2012 | Transnational Families and the Impact of Economic Migration on Families, COFACE, Brussels. |