Migrationsdaten in Westafrika
Westafrika zeichnet sich seit langem durch eine hohe Mobilität aus. Dabei handelt es sich um einen Trend, der weit vor der Gestaltung der heutigen Grenzen während der Kolonialzeit einsetzte. Zur Jahresmitte 2020 lebten schätzungsweise 7,6 Millionen internationale Migranten in Westafrika (UN DESA, 2020). In der Realität ist diese Zahl wahrscheinlich sehr viel größer, da das traditionell hohe Niveau der temporären und saisonalen Migration durch diese Daten nicht vollständig erfasst wird. In den letzten Jahren wurde diese Entwicklung durch die Politik der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) beschleunigt, die unter anderem in den späten 1970er-Jahren die Personenfreizügigkeit ausweitete. Während mehr als fünf von acht Migranten aus der Region in Westafrika verbleiben, zieht es immer mehr Menschen in andere Teile Afrikas und darüber hinaus, wo sie sich Beschäftigungsmöglichkeiten und bessere wirtschaftliche Perspektiven erhoffen.
COVID-19
Die COVID-19-Pandemie hat die Mobilität und Migration in ganz Westafrika beeinträchtigt. Alle Länder Westafrikas schlossen ihre Land- und Luftgrenzen; einige schränkten sogar den innerstaatlichen Reiseverkehr ein und hinderten Staatsangehörige an der Wiedereinreise. Die IOM schätzte, dass auf dem Höhepunkt der Beschränkungen im April 2020 schätzungsweise 21‘000 Migranten in West- und Zentralafrika festsaßen (IOM, 2020a).
Nachdem im März und April 2020 staatliche Reisebeschränkungen eingeführt worden waren, verzeichnete die IOM an wichtigen Transitpunkten einen starken Rückgang der Migrationsströme. In den darauffolgenden Monaten jedoch nahmen diese Wanderungsbewegungen wieder zu. Trotz offizieller Grenzschließungen brach der Grenzverkehr in vielen Ländern nicht ab (IOM, 2020b; IOM, 2020c). Bis Oktober 2020 wurde der Flugverkehr in fast allen Ländern wieder aufgenommen, jedoch blieben viele Landgrenzen geschlossen.
COVID-19 beeinträchtigte auch die Vorbereitungen auf Volkszählungen in Westafrika. Für das Jahr 2020 waren in acht Ländern der Region Volkszählungen geplant, die pandemiebedingt jedoch teilweise bis 2021 verschoben wurden.
Aufnahmeländer
Mitte 2020 lebten 7,64 Millionen internationale Migranten in Westafrika. Fast 34 % (2,6 Millionen Migranten) lebten in Côte d’Ivoire und 17 % (1,3 Millionen Migranten) in Nigeria (UN DESA, 2020).
Zielländer
Die meisten Migranten aus Westafrika verbleiben in der Region. Im Jahr 2020 lebten zwei von drei Migranten in einem anderen westafrikanischen Land. Jedoch hat sich das Spektrum der Zielländer in den letzten Jahren erweitert. Der Anteil westafrikanischer Migranten, die in Nordamerika leben, stieg von 3 % aller Auswanderer aus der Region im Jahr 1990 auf 10 % zur Jahresmitte 2020. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der in Europa lebenden Migranten aus Westafrika von 12 % auf fast 19 % (UN DESA, 2020).
Beweggründe zur Migration
Wie auch in anderen Teilen der Welt befinden sich die meisten Migranten aus Westafrika auf der Suche nach Arbeit und besseren wirtschaftlichen Bedingungen. Das Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer ermittelte, dass wirtschaftliche Beweggründe (zum Beispiel „Arbeitssuche“, „wirtschaftliche Not“, „Armut“ oder „bessere Geschäftsmöglichkeiten“) für 70 % bis 90 % der Befragten in den 14 bei der Datenerhebung berücksichtigten westafrikanischen Ländern für die Migration ausschlaggebend waren. Auch Aus- und Weiterbildung, Familienzusammenführung im Ausland oder Abenteuerlust waren häufig genannte Gründe, jedoch machten diese in keinem Land mehr als 25 % der Antworten aus (Afrobarometer, 2019).
Erwerbsmigration
Ein großer Anteil der Wanderarbeitnehmer ist im informellen Sektor tätig. Dies gilt auch für die Gesamtbevölkerung in der Region, die durch informelle Beschäftigung gekennzeichnet ist (Awumbila et al., 2014; Mbaye und Gueye, 2018). Die Erwerbsmigration nimmt verschiedene Formen an, darunter temporäre, saisonale und dauerhafte Migration (ICMPD und IOM, 2015). Von diesem Phänomen betroffen sind verschiedene Wirtschaftsbereiche, darunter der Bergbau in Guinea, Burkina Faso, Mali und Senegal. Im Jahr 2017 lebten schätzungsweise 3,7 Millionen Wanderarbeitnehmer in ECOWAS-Mitgliedsstaaten, darunter 1,6 Millionen Frauen. Junge Migranten (d.h. Personen im Alter von 15 bis 35 Jahren) machten 46 % aller Wanderarbeitnehmer aus (Afrikanische Union, 2020).
Rücküberweisungen
Im Jahr 2020 erhielten westafrikanische Länder Rücküberweisungen in Höhe von 27 Milliarden US-Dollar. Davon entfielen fast 64 % auf Nigeria (USD 17,2 Mrd.), womit das Land in absoluten Zahlen der größte Empfänger in Subsahara-Afrika ist, während Gambia (15,6 %) und Cabo Verde (13,9 %) anteilsmäßig am BIP die meisten Rücküberweisungen erhielten. Zwar zeigen Schätzungen für das Jahr 2020, dass dieser Geldverkehr in Westafrika pandemiebedingt um 19,3 % zurückging. In fünf von 15 Ländern, für die entsprechende Daten vorliegen, stieg das Volumen der Rücküberweisungen jedoch in diesem Zeitraum an. Geldtransfers nach Nigeria gingen 2020 um 27,7 % zurück, während Rücküberweisungen nach Gambia um 5 % anstiegen (Weltbank, 2021).
Zwangsvertreibung
Die Binnen- und grenzüberschreitende Vertreibung im Tschadseebecken und in der zentralen Sahelzone haben in den letzten Jahren stark zugenommen.
Zentrale Sahelzone: Die zentrale Sahelzone ist einer der weltweit größten Krisenherde. Das Leben und die Lebensgrundlagen von immer mehr Menschen in der Region werden durch Unsicherheiten und Gewalt beeinträchtigt. In Burkina Faso stieg die Zahl der konfliktbedingt binnenvertrieben Personen von 47‘000 im Jahr 2018 auf mehr als 1,1 Millionen im März 2021 an (IOM, 2021). Ferner hat die Krise in der zentralen Sahelzone aufgrund der eskalierenden Gewalt und der klimatischen Bedingungen zu 331‘206 Binnenvertreibungen in Mali und zu 138‘229 Binnenvertreibungen in Niger geführt (IOM, 2021).
Tschadseebecken: Jahrzehntelange Gewalt durch die Terrorgruppierung Boko Haram in Nigeria führt zu weitverbreiteter Unsicherheit und Vertreibung im gesamten Tschadseebecken. In den betroffenen Gebieten von Kamerun, Niger, Nigeria und Tschad wurden bis April 2021 mehr als 2,9 Millionen Menschen binnenvertrieben, davon 72 % (mehr als 2,1 Millionen Menschen) in Nigeria. Zudem wurden mehr als 256‘000 Flüchtlinge infolge der Krise im Tschadseebecken, insbesondere in Kamerun und Niger, vertrieben (IOM, 2021).
Ankünfte in Europa
Die Zahl der Migranten, die Europa über die zentrale oder westliche Mittelmeerroute zu erreichen versuchten, ging zwischen 2017 und 2019 zurück. Die Ankünfte aus Westafrika verlagerten sich ab 2018 stark von Italien nach Spanien (Fedorova und Shupert, 2020). Entlang der westlichen Mittelmeerroute ging die Zahl der Ankünfte im ersten Halbjahr 2020 weiter zurück, während ein Anstieg der Ankünfte in Italien und Malta zu verzeichnen war (Schöfberger und Rango, 2020). Die Zahl der Migranten, welche von Westafrika aus die Kanarischen Inseln erreichten, stieg 2020 stark an. Zwischen Januar und November 2020 kamen 16‘760 Personen neu an, was einem Anstieg von mehr als 1‘000 % gegenüber dem gleichen Zeitraum 2019 entspricht (IOM, 2020f).
Programme zur unterstützten freiwilligen Rückkehr und Reintegration (AVRR)
Niger war 2019 im Hinblick auf AVRR-Aktivitäten das wichtigste Aufnahmeland. Mehr als 16‘000 Menschen wurden von der IOM bei der freiwilligen Rückkehr nach Niger unterstützt. Fünf der zehn wichtigsten Herkunftsländer im Hinblick auf AVRR-Aktivitäten befanden sich ebenfalls in Westafrika. Teilnehmende aus der Region West- und Zentralafrika machten 35 % aller AVVR-Fälle der IOM aus. Männer stellten 88 % dieser Migrantengruppe; weitere 8 % waren Kinder (IOM, 2020g).
Wandertierhaltung
Die Wandertierhaltung ist ein wichtiger Aspekt der innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Mobilität in vielen Ländern Westafrikas. Leider wird dieses Phänomen von bestehenden Migrationsdaten nicht ausreichend abgebildet. In einigen Ländern der Sahelzone macht die Tierhaltung 40 % des landwirtschaftlichen BIP aus, aber die zunehmende landwirtschaftliche Entwicklung, Konflikte und der Klimawandel haben traditionelle Wanderungsbewegungen beeinträchtigt (IOM, ICMPD und ECOWAS, 2019). Das IOM Transhumance Tracking Tool wurde kürzlich in Burkina Faso eingeführt, um Bewegungen im Zusammenhang mit der Wandertierhaltung zu quantifizieren und zu prognostizieren (Jusselme, 2020).
Migration: historische und aktuelle Entwicklungen
Frühgeschichte bis zur Kolonialzeit
Westafrika weist traditionell eine starke Migration innerhalb der Region auf. Häufig verließen Menschen aufgrund von Handel, Landwirtschaft, Umwelt- bzw. Klimaveränderunderungen oder Konflikten ihre Heimat (Adepoju, 2005; Bakewell und de Haas, 2007).
Mit dem Beginn der Kolonialzeit änderten sich lang etablierte Muster im Hinblick auf die Migration. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert verschifften europäische Sklavenhändler zwischen 12 und 15 Millionen Menschen aus West- und Zentralafrika gewaltsam nach Amerika. Im Zuge der Einführung von Grenzen und der Regulierung der Mobilität durch Kolonialregierungen im 19. Jahrhundert ging auch die Mobilität innerhalb der Region zurück (de Haas et al., 2019). Darüber hinaus veränderte die koloniale Wirtschaftspolitik bestehende Muster bei der Migration. Die Rekrutierung von Vertrags- und Zwangsarbeitern und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bedeuteten eine hohe Migration aus der Sahelzone, insbesondere aus Mali und Obervolta. Ziele der Wanderungsbewegungen waren die Plantagen und Minen in der damaligen Goldküste (heute Ghana) und Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) (Adepoju, 2005).
Die Einwanderung von außerhalb Westafrikas blieb während der Kolonialzeit auf niedrigem Niveau, abgesehen von der Migration schwarzer Siedler aus Amerika, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Liberia niederließen, sowie der Migration aus dem Libanon im späten 19. Jahrhundert. Im Vergleich zu Menschen aus Nord- oder Südafrika siedelten sich nur relativ wenige Europäer dauerhaft in der Region an.
Seit der Unabhängigkeit
Die meisten westafrikanischen Staaten erlangten zu Beginn der 1960er-Jahre ihre Unabhängigkeit. Muster im Hinblick auf die Migration, die sich während der Kolonialzeit verfestigt hatten, hielten jedoch weitgehend an. Langfristige oder saisonale Wanderarbeitnehmer zieht es regelmäßig aus Binnenländern der Sahelzone in die Küstengebiete von Ghana, Côte d’Ivoire oder Senegal, in denen ertragreiche Nutzpflanzen angebaut werden (Yaro, 2008). Die Migration entlang durchlässiger Landesgrenzen, die oft ohne Berücksichtigung ethnischer Gruppen oder sprachlicher Minderheiten gezogen wurden, brach nicht ab (Adepoju, 1997). Nach der Ölkrise von 1973 wurde Nigeria ein immer wichtigeres Zielland für Migranten (Yaro, 2008).
Die 1975 gegründete Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) förderte die Migration innerhalb der Region, indem sie Beschränkungen für den Personenverkehr zwischen den Staaten lockerte. Zugleich führten Wirtschaftskrisen zur Massenvertreibung von Migranten, vor allem aus Ghana (1969) und Nigeria (1983 und 1985). Zudem kehrten viele ehemalige Migranten aus Côte d’Ivoire in ihre Heimat zurück (Bakewell und de Haas, 2007; Yaro, 2008).
Neben der Wirtschaftsmigration beschleunigten Konflikte in den späten 1990er-Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts – zum Beispiel in Liberia (1989–1996), Sierra Leone (1991–2001) oder Côte d’Ivoire (2002-2004) – die ohnehin erhebliche Binnenvertreibung und weitreichenden Fluchtbewegungen innerhalb Westafrikas.
Aktuelle Lage
Die Migration in Westafrika bewegt sich auch heute noch auf hohem Niveau. Die Zahl der Auswanderer hat sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt, jedoch blieb ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung relativ unverändert. Mitte 1990 betrug dieser 2,8 %, während dieser zur Jahresmitte 2020 insgesamt 2,6 % betrug. Dieser Anteil schwankt stark zwischen den verschiedenen Ländern Westafrikas und reicht von 0,8 % in Nigeria oder 1,7 % in Niger bis zu 7,758 % in Burkina Faso bzw. 33,7 % in Cabo Verde (UN DESA, 2019; UN DESA, 2020).
Die meisten Migranten aus Westafrika wandern in ein Nachbarland ab, jedoch ist der Anteil der Migranten, die es in andere Regionen zieht, deutlich gestiegen. Zur Jahresmitte 2020 lebten 64 % der Migranten aus der Region in einem anderen westafrikanischen Land. Mitte 1990 betrug dieser Anteil noch 80 %. Die höchste Zuwanderung innerhalb Westafrikas kommt aus einkommensschwachen Ländern oder Binnenstaaten, wobei Côte d’Ivoire eine interessante Ausnahme bildet. Mehr als 97 % der Migranten aus Burkina Faso leben in einem anderen Land in Westafrika. Gleiches gilt für mehr als 90 % der Migranten aus Niger und über 75 % der Migranten aus Benin, Côte d’Ivoire, Mali und Togo (UN DESA, 2020).
Migranten aus den wohlhabenderen Küstengebieten Westafrikas – darunter Nigeria, Ghana und Senegal – wandern zunehmend aus der Region ab. Der Anteil der in Europa lebenden Migranten aus Westafrika betrug Mitte 1990 noch 12 % und stieg bis Mitte 2020 auf 19 % an. Auch der Anteil der in Nordamerika lebenden Migranten aus Westafrika stieg im gleichen Zeitraum von 3 % auf 10 % an, wobei die Abwanderung oft in Regionen erfolgt, zu denen Verbindungen aus der Kolonialzeit bestehen oder in denen die gleiche Sprache gesprochen wird (UN DESA, 2020).
In absoluten Zahlen ist die Zuwanderung nach Westafrika gewachsen. Als Anteil an der Bevölkerung jedoch ist diese von einem Höchststand von 2,5 % im Jahr 1990 auf 1,9 % im Jahr 2020 gesunken. Diese Entwicklung lässt sich weitgehend mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen seit den 1990er-Jahren erklären. Côte d’Ivoire nimmt weiterhin die meisten Migranten auf, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung. Nigeria ist mit 1,3 Millionen Migranten das zweitwichtigste Aufnahmeland in absoluten Zahlen, während Gambia mit 8,98 % den zweithöchsten Anteil von Migranten an der Gesamtbevölkerung stellt (UN DESA, 2020).
Nach dem Ende der Konflikte in Liberia, Sierra Leone und Côte d’Ivoire entwickelte sich die Zwangsvertreibung in Westafrika stark rückläufig. Die Zahl der Geflüchteten war 2009 gegenüber den 1990er-Jahren, als Fluchtbewegungen in der Region ihren Höchststand erreicht hatten, um 12 % gesunken (UNHCR, 2020). Dennoch hat die Vertreibung im Zusammenhang mit der eskalierenden Gewalt im Tschadseebecken und in der zentralen Sahelzone in den letzten Jahren wieder stark zugenommen (vgl. „Aktuelle Entwicklungen“).
Back to topDatenquellen
Die Quellen zur Migration innerhalb Westafrikas sind stark begrenzt. Obwohl die ECOWAS an der Harmonisierung der Datenerhebung arbeitet, veröffentlicht sie aktuell nur wenige Daten. Jedoch stellen viele internationale Organisationen Daten bereit, die Westafrika einschließen. Auch Daten, die im Rahmen von Volkszählungen und Befragungen erfasst wurden, sind zunehmend online verfügbar.
Regionale und internationale Datenquellen:
- Die ECOWAS veröffentlicht Statistiken zur Zahl der ansässigen Ausländer. Diese Daten sind nach Land bzw. Region aufgeschlüsselt und wurden zuletzt 2016 aktualisiert.
- Die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN DESA) schätzt den internationalen Migrationsbestand, der nach Alter- und Geschlechtsstruktur sowie nach Herkunfts- und Zielländern aufgeschlüsselt wird.
- Die IOM erhebt im Rahmen ihres Programms Displacement Tracking Matrix (DTM) diverse Daten zu Migranten und Binnenvertriebenen, beispielsweise zum Bestand, zu den Wanderungsbewegungen sowie zu den Profilen oder Lebensbedingungen dieser Menschen. Bestimmte Datensätze sind frei verfügbar, andere Daten werden über Dashboards und Berichte bereitgestellt. Das Programm DTM ist aktuell in folgenden Ländern aktiv: Burkina Faso, Guinea, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeriaund Senegal. Die IOM veröffentlicht ferner regelmäßige Berichte mit Daten über Migranten, die bei ihrer freiwilligen Rückkehr und Reintegration (AVRR) unterstützt werden, darunter Informationen zu Aufnahme- und Herkunftsländern, Geschlecht, Alter und Gefahren, mit denen diese Migranten konfrontiert sind.
- Das Datenportal der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), ILOSTAT, enthält verschiedene Indikatoren auf Landesebene zur Erwerbsmigration und zu berufsbedingten Verletzungen, die nach Migrationsstatus aufgeschlüsselt werden.
- Das UNHCR führt eine Datenbank zu Flüchtlingsstatistiken mit Informationen zu Geflüchteten, Asylsuchenden, Binnenvertriebenen und anderen relevanten Bevölkerungsgruppen. Diese Angaben werden nach Herkunfts- und Aufnahmeland geordnet. Dashboards für bestimmte Länder Westafrikas finden sich im Operations Portal des UNHCR.
- Die Beobachtungsstelle für Binnenvertreibung (IDMC) veröffentlicht Daten zum Migrationsbestand und zu neuen Binnenvertreibungen aufgrund von Konflikt oder Katastrophen, die in ihrer Datenbank zur weltweiten Binnenvertreibung abrufbar sind.
- Das Counter-Trafficking Data Collaborative (CTDC) veröffentlicht anonymisierte Daten zum Menschenhandel. Diese stammen von Organisationen, die gegen den Menschenhandel vorgehen.
- Die Weltbank erhebt Daten zum Volumen von Rücküberweisungen.
- Im Rahmen diverser Umfragen (2016-2018) erhob das Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer in 14 westafrikanischen Ländern Daten zur Auswanderung, insbesondere im Hinblick auf die Beweggründe zur Migration.
- Die Afrikanische Union hat zwei Berichte zur Erwerbsmigration in Afrika veröffentlicht. Darin enthalten sind Schätzungen zur Zahl der Wanderarbeitnehmer in den ECOWAS-Staaten.
Daten aus Volkszählungen und Haushaltserhebungen:
- Volks- und Wohnungszählungen: Im Zuge der Zensusrunde 2010 führten 15 westafrikanische Staaten Volkszählungen durch. Die Statistische Abteilung der Vereinten Nationen erstellt für die meisten Länder Fragebögen für Volkszählungen und veröffentlicht ferner Berichte und bestimmte Daten, zum Beispiel zur Migration. Die nationalen Statistikämter stellen diese Informationen zur Verfügung.
- Arbeitskräfteerhebungen: Mindestens zehn westafrikanische Länder haben in den letzten Jahren zudem Arbeitskräfteerhebungen durchgeführt. Die ILO verfügt über eine Liste mit länderspezifischen Fragebögen und Berichten.
- Demografische und gesundheitliche Erhebungen (DHS): Mit Ausnahme von Guinea-Bissau haben alle Länder Westafrikas demografische und gesundheitliche Erhebungen durchgeführt. Die Datensätze und Berichte sind online verfügbar, geben allerdings nur bedingt über Migrationsfragen Aufschluss.
- Weltbank-Studien zur Lebensqualität (LSMS): Die Weltbank hat in sechs westafrikanischen Ländern Studien zur Lebensqualität (LSMS) durchgeführt. Die Daten sind online verfügbar, geben aber nur bedingt über Migrationsfragen Aufschluss.
Weitere Daten und Analysen:
- Das Mixed Migration Centre (MMC) hat die Mixed Migration Monitoring Mechanism Initiative (4Mi) auf den Weg gebracht und erhebt im Rahmen von persönlichen Befragungen Daten zu gemischten Migrationsrouten, zu den Beweggründen der jeweiligen Migranten sowie zu den Gefahren, mit denen sich diese konfrontiert sehen. In Westafrika ist 4Mi in Burkina Faso, Mali und Niger aktiv. Die Daten werden nicht veröffentlicht, allerdings erstellt das MMC Berichte und weitere Analysen.
- Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) betreibt die Open-Data-Plattform Humanitarian Data Exchange (HDX) zum Austausch humanitärer Daten. Viele zwischenstaatliche, staatliche und zivilgesellschaftliche Organisationen, die in Westafrika tätig sind, stellen auf dieser Plattform Datensätze zur Verfügung.
- Die Initiative REACH veröffentlicht über ihr Ressourcenzentrum detaillierte Daten und Analysen zu Krisengebieten. Aktuell ist REACH in Mali, Burkina Faso, Niger und Nigeria aktiv.
- ACAPS erstellt datengestützte Berichte und Analysen zu humanitären Themen in Burkina Faso, Mali, Niger, Nigeria und Senegal.
Stärken und Schwächen der Datenquellen
Für die meisten Ländern Westafrikas fehlen aktuelle, zuverlässige Migrationsdaten. Der Vergleich und die Aufschlüsselung bestehender Daten sind komplex, da Definitionen hinsichtlich Migration, Vergleichszeiträume und Klassifizierungen zwischen den Ländern nicht harmonisiert sind (IOM und FMM West Africa, 2018; Afrikanische Union, 2020).
In Westafrika werden die meisten demografischen Daten im Rahmen von Volkszählungen erhoben, die zwar die gesamte Bevölkerung abdecken, jedoch nur in bestimmten zeitlichen Abständen durchgeführt werden (MMC, 2017). Häufig sind diese Daten uneinheitlich, da einige Länder ihre Daten nicht nach Alter aufschlüsseln bzw. keine gemeinsamen Altersgruppen verwenden (Awumbila et al., 2014). Migranten können anhand ihres Geburtslandes oder ihrer Staatsangehörigkeit bestimmt werden (MMC, 2017). Allerdings werden die Antwortkategorien nicht einheitlich gestaltet, was zur Folge hat, dass das konkrete Herkunftsland vieler Migranten nicht ermittelt werden kann (IOM, 2008). Repräsentative Haushaltserhebungen bieten weitaus detailliertere Daten als Volkszählungen, allerdings enthalten nur wenige Erhebungen in Westafrika Fragen zur Migration. Auch die Stichprobengrundlage ist nicht immer geeignet, um die Migration zu messen, und separate Erhebungen zu Migrationsthemen sind selten (IOM, 2008).
Die von den nationalen Statistikämter und der UN DESA veröffentlichten Daten zu Migrationsbeständen sind die zuverlässigsten Informationen zur Migration in Westafrika. Vergleichbare nationale Statistiken zu den Migrationsströmen und der Auswanderung sind nur begrenzt verfügbar, da nur wenige Länder relevante Fragen bei Volkszählungen und Haushaltserhebungen untersuchen (IOM, 2008; Awumbila et al., 2014). Daten aus administrativen Quellen haben aus methodischer Sicht verschiedene Schwachpunkte und können die Migration nicht stichhaltig messen (IOM, 2018). Einige Migrationsfragen, die mit Blick auf Westafrika von besonderem Interesse wären, wie zum Beispiel temporäre, zirkuläre oder irreguläre Wanderungsbewegungen, lassen sich durch konventionelle Methoden der Datenerhebung nur schwer abbilden (Awumbila et al., 2014).
Internationale Organisationen wie die UN DESA, die ILO oder das UNHCR nutzen diverse Methoden und Datenquellen, einschließlich Daten aus Volkszählungen und Befragungen, und wenden unterschiedliche Methoden hinsichtlich der Registrierung und Schätzung an, um Unterschiede bei der Verfügbarkeit und Qualität von länderspezifischen Daten zu überwinden und vergleichbare Statistiken zu erstellen. Das bedeutet, dass die Verlässlichkeit der verfügbaren Daten stark von den jeweiligen Quellen und der Methodik abhängt. Daten der UN DESA werden regelmäßig für alle Länder aktualisiert. Jedoch stimmen diese Daten häufig nicht mit den nationalen Quellen überein. So wurden bei der letzten Volkszählung im Jahr 2014 in Côte d’Ivoire doppelt so viele in dem Land lebende Migranten gezählt, als die Zahlen der UN DESA für einen ähnlichen Zeitraum nahelegen (Fargues, 2020a, UN DESA, 2019). Auch weisen Daten aus administrativen Quellen in Mauretanien und Niger deutlich weniger Auswanderer aus als die Daten der UN DESA für diese Länder (Fargues, 2020a).
Nicht repräsentative Quellen, zum Beispiel das IOM-Programm DTM oder 4Mi, bieten mitunter aktuellere Daten als Volkszählungen oder Haushaltserhebungen. Diese können zudem Informationen zu Themen erfassen, die für politische Entscheidungsträger von Belang sind, in anderen Quellen aber normalerweise nicht beleuchtet werden, wie zum Beispiel Migrationsströme, irreguläre Migration oder die Erfahrungen und Bedürfnisse von Menschen im Rahmen von Wanderungsbewegungen. Solche Daten stehen jedoch nur für bestimmte Regionen zur Verfügung und sind nicht repräsentativ, was ihre Analyse zusätzlich erschwert (Fargues, 2020b).
Back to topRegionale Verfahren
Die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) ist der wichtigste Akteur zur Steuerung der Migration in Westafrika. Seit ihrer Gründung im Jahr 1975 hat sich die ECOWAS auf die Mobilität in der Region konzentriert. Der Gründungsvertrag sowie der überarbeitete Vertrag von 1993 umfassen insbesondere Bestimmungen, um die Mitgliedstaaten zur Beseitigung von Hindernissen für den freien Waren-, Kapital- und Personenverkehr in Westafrika anzuhalten.
Um diese Verpflichtungen umzusetzen, billigten die ECOWAS-Mitgliedstaaten das Protokoll von 1979 über die Freizügigkeit und das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht, mit dem ein verbindlicher rechtlicher Rahmen für die Migration innerhalb Westafrikas geschaffen wurde. Die in diesem Protokoll und den Zusatzprotokollen verankerten Rechte sollten innerhalb von 15 Jahren nach der Ratifizierung schrittweise in drei Phasen umgesetzt werden, jedoch hat sich die Umsetzung verzögert.
- Phase 1 bezieht sich auf das Einreiserecht und sieht vor, dass alle ECOWAS-Bürger mit einem gültigen Reisedokument in einen anderen Mitgliedstaat einreisen und sich dort bis zu 90 Tage visumfrei aufhalten dürfen. Dieses Recht wurde trotz anhaltender Probleme mit Ausweisdokumenten und Übergriffen an den Grenzübergängen weitgehend durchgesetzt (ICMPD und IOM, 2015).
- Phase 2 betrifft das Aufenthaltsrecht und sieht vor, dass ECOWAS-Bürger gleich behandelt werden, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat leben oder dort einer Beschäftigung nachgehen möchten. Auch dieses Recht wurde in weiten Teilen verwirklicht, jedoch beschränken einige Länder weiterhin die Beschäftigung von Nichtstaatsangehörigen in bestimmten Wirtschaftsbereichen. Zudem fehlen klare Vorgaben für die Ausstellung von Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigungen (ebenda).
- Phase 3 umfasst das Niederlassungsrecht. ECOWAS-Bürger sollen berechtigt sein, in anderen Mitgliedstaaten wirtschaftliche Tätigkeiten auszuüben oder Unternehmen zu gründen, jedoch wurde dieses Ziel bisher nicht erreicht (ebenda).
Um die Umsetzung dieser Protokolle zu unterstützen, wurden Maßnahmen wie gemeinsame Reisebescheinigungen und Reisepässe in der Wirtschaftsgemeinschaft eingeführt. Darüber hinaus sind vereinfachte Grenzformalitäten vorgesehen, jedoch in den meisten Ländern bisher nicht umgesetzt. Eine vollständige Umsetzung der Protokolle zur Personenfreizügigkeit ist aufgrund der fehlenden Harmonisierung nationaler Gesetze mit den Protokollen und den Richtlinien der ECOWAS weiterhin nicht gegeben (Awumbila et al., 2014).
Nachfolgende, unverbindliche Strategiedokumente wie der Common Approach on Migration and Development (2008) haben ferner gezeigt, welche zentrale Rolle die Personenfreizügigkeit innerhalb der ECOWAS einnimmt. Gleichzeitig hat sich das Engagement der Wirtschaftsgemeinschaft in Migrationsfragen ausgeweitet, die sich seitdem mit der Ab- und Zuwanderung aus bzw. in ihre Mitgliedstaaten befasst (Schöfberger, 2020).
Diese verbindlichen Protokolle sowie die unverbindlichen Strategiedokumente veranlassen die ECOWAS zur Harmonisierung der Datenerfassung und Berichterstattung bei Migrationsfragen in Westafrika. Zwar veröffentlicht die ECOWAS aktuell keine regelmäßigen Berichte mit Migrationsdaten, jedoch engagieren sich Initiativen wie FMM West Africa und der Migrationsdialog Westafrika (MIDWA; siehe unten) für eine Verbesserung und Harmonisierung der Datenerhebung und -verwaltung, damit Daten zur Migration in Westafrika einem breiteren Publikum zur Nutzung zugänglich gemacht werden.
Seit ihrer Gründung fördert die Afrikanische Union die Personenfreizügigkeit auf dem gesamten Kontinent. Die Agenda 2063 wurde im Jahr 2015 von den Mitgliedstaaten verabschiedet und umfasst das Engagement zur Verbesserung der Integration durch die Ausweitung der Visafreiheit und die Einführung eines afrikanischen Reisepasses. Jedoch wird die Migrationspolitik der Afrikanischen Union nach wie vor nur schleppend umgesetzt. Das 2018 verabschiedete Protokoll über die Personenfreizügigkeit in Afrika enthält Verpflichtungen zur Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsfreiheit, wurde bis Ende 2020 allerdings von nur vier der 55 Mitgliedstaaten ratifiziert.
Der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (WAEMU) gehören acht vorwiegend frankophone Länder an. In den Gründungsverträgen wurden Bestimmungen zur Personenfreizügigkeit sowie zur Aufenthalts- und Niederlassungsfreiheit aufgenommen (Schöfberger, 2020). Da alle WAEMU-Mitgliedsstaaten auch Teil der ECOWAS sind, wird auf diese Rechte innerhalb der ECOWAS hingearbeitet.
Regionale Migrationsdialoge:
- Der Migrationsdialog Westafrika (MIDWA) ist ein regionales Konsultationsverfahren zu Migrationsfragen, das 2001 auf den Weg gebracht wurde, um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Migrationspolitik zwischen den ECOWAS-Mitgliedsstaaten und -Partnern zu fördern.
- Der Europäisch-Afrikanische Dialog zu Migrations- und Entwicklungsfragen (Rabat-Prozess) ist ein Forum, das afrikanische und europäische Staaten bzw. Organisationen zusammenbringt, um sich gemeinsamen Migrationsfragen zu widmen.
Weiterführende Literatur
International Organization for Migration
2021 A region on the move: Mobility trends in West and Central Africa, January - December 2021.
2020 Regional Mobility Mapping: West and Central Africa, June 2020
2019 Migration Data on the Central Mediterranean Route: What Do We Know? GMDAC Briefing Series: Towards safer migration in Africa: Migration and Data in Northern and Western Africa.
2018 Guidelines for the Harmonization Of Migration Data Management in the ECOWAS Region.
2008 Enhancing Data on Migration in West and Central Africa.
Africa Union
2020 Report on Labour Migration Statistics in Africa, Second Edition.
Regional Mixed Migration Secretariat (RMMS) West Africa
2017 Mixed Migration in West Africa: Data, Routes and Vulnerabilities of People on the Move.
International Centre for Migration Policy Development and International Organization for Migration
2015 A Survey on Migration Policies in West Africa.
Awumbila, M., Y. Benneh, J.K. Teye and G. Atiim
2014 Across Artificial Borders: An assessment of labour migration in the ECOWAS region. ACP Observatory on Migration.
1 As defined by the UN Statistics Division. Benin, Burkina Faso, Cabo Verde, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Mali, Mauritania, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone and Togo.
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