Integration von Migrantinnen und Migranten
Die Integration von Migrantinnen und Migranten hat mit der Aufforderung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung „niemanden zurückzulassen“ – was auch für Migranten gilt – an Bedeutung auf der globalen Agenda gewonnen. Das Thema der Integration von Migrantinnen und Migranten ist jedoch traditionell polarisierend, und die damit verbundenen Daten beschränken sich in der Regel auf einkommensstarke Länder. Das zunehmende Interesse an einer Integration von Migranten unterstreicht den Bedarf an mehr Forschung und besseren Daten.
Integration umfasst unterschiedliche Politikfelder und verschiedene Lebensbereiche von Migrantinnen und Migranten, und daher beinhalten die Daten über die Integration von Migrantinnen und Migranten eine Vielfalt von Informationen, wie beispielsweise die Frage, ob Migrantinnen und Migranten in den wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Bereich der Gesellschaft integriert sind, welche Diskriminierung sie erfahren, wie sich die Politik auf die Integration von Migrantinnen und Migranten auswirkt und wie die Öffentlichkeit Migranten und Einwanderung wahrnimmt.
Back to top
Definition
Es gibt keine einheitliche Definition für Integration. Definitionen haben Gemeinsamkeiten, bleiben aber weitestgehend kontext- oder länderspezifisch. Dennoch kann die Integration von Migrantinnen und Migranten im weitesten Sinne definiert werden als:
- Der Prozess, durch den Migrantinnen und Migranten sowohl als Einzelpersonen als auch als Gruppen in die Gesellschaft aufgenommen werden....[Integration] bezieht sich auf einen beiderseitigen Anpassungsprozess von Migranten und aufnehmenden Gesellschaften....[und impliziert] die Berücksichtigung der Rechte und Pflichten von Migrantinnen und Migranten und aufnehmenden Gesellschaften, des Zugangs zu verschiedenen Dienstleistungen und zum Arbeitsmarkt sowie der Identifizierung und Achtung einer grundsätzlichen Werteordnung, die Migrantinnen und Migranten und aufnehmende Gesellschaften an einen gemeinsamen Zweck binden (IOM, 2011).
Zu den verwandten Begrifflichkeiten gehören soziale Integration und sozialer Zusammenhalt. Soziale Integration bezieht sich auf die Eingliederung von Migrantinnen und Migranten und die vollständige wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Beteiligung in den aufnehmenden Gemeinschaften. Der soziale Zusammenhalt bezieht sich auf Konzepte wie Bekämpfung von Diskriminierung, Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Förderung des gegenseitigen Verständnisses (IOM, 2017).
Die Integration erfolgt im öffentlichen und privaten Bereich, generationenübergreifend sowie auf individueller, familiärer, gemeinschaftlicher und nationaler Ebene (Rat der, 2004). Einige typische Anzeichen für eine erfolgreiche Integration von Migrantinnen und Migranten sind die Verringerung der Unterschiede zwischen Migranten und Nicht-Migranten, unter anderem anhand von Daten über Beschäftigung, Bildung, Gesundheit und soziale Integration.
Wesentliche Trends
Es ist schwierig, auf globaler Ebene einen Trend zur Integration von Migrantinnen und Migranten zu erkennen, auch weil die Forschung zu diesem Thema relative neu ist und sich weitgehend auf einkommensstarke Länder oder Regionen beschränkt. So gibt es beispielsweise für die Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine solidere Forschung. Untersuchungen in OECD-Ländern zeigen, dass Migrantinnen und Migranten in Bereichen wie Bildungsabschluss und Arbeitsmarktbeteiligung in den meisten Ländern durchschnittlich schlechtere Ergebnisse erzielen als die einheimische Bevölkerung (OECD, 2015). Dies wird als Zeichen dafür interpretiert, dass es weiterhin Hürden für eine effektive Integration gibt. Die Ergebnisse der Integration hängen von vielen Faktoren ab, wie beispielsweise vom Herkunftsland, dem Kontext der Aufnahmegesellschaft und dem Ausbildungsniveau der Einwanderinnen und Einwanderer. Nach den verfügbaren Daten verbessert sich die Integration in den meisten Ländern mit der Aufenthaltsdauer (OECD, 2015; Huddleston et al., 2013).
Datenquellen
Die Hauptdatenquellen für die Integration von Migrantinnen und Migranten sind Volkszählungen und Haushaltsbefragungen, insbesondere Arbeitskräfteerhebungen und Befragungen über Lebensbedingungen. Diese Quellen enthalten Daten, mit denen die Integration von Migrantinnen und Migranten in einer Reihe von Bereichen gemessen werden kann. Zu den wichtigsten Bereichen gehören:
- Arbeitsmarkt (z. B. Beschäftigungsquoten, Löhne oder Einkommen, Beruf, Erwerbsquote und Quote der Überqualifizierung);
- Bildung (z. B. höchster Bildungsabschluss, Abbrecherquote, Noten und Kompetenzen);
- Gesundheit (z. B. gesunde Lebensjahre und Lebenserwartung);
- Soziale Eingliederung (z. B. Immobilienbesitz, Wohnkostenüberlastung, Kinderarmut und soziale Ausgrenzung);
- Bürgerschaftliche Eingliederung/bürgerschaftliches Engagement (z. B. Stimmrecht, Vertretung in der Politik, öffentliche Beschäftigung, Einbürgerungsquote, Anteil der langfristigen Aufenthaltsberechtigungen und ehrenamtliche Arbeit);
- Kulturelle Integration (z. B. Bräuche, Traditionen, Sprache und Religion);
- Finanzielle Integration (z. B. Bankwesen, Ersparnisse, Kredite, Versicherungen und Beratung);
- Räumliche Integration (z. B. Segregation der Wohngebiete nach sozioökonomischem Status);
- Öffentliche Meinung (z. B. Fähigkeit, sehr heterogene und kulturell vielfältige Personengruppen zu integrieren); und
- Rolle der Medien (z. B. Integration und Vielfalt in öffentlich-rechtlichen Medien).
(Eurostat, 2011; Huddleston et al., 2013; Cities of Migration, 2010 and OECD, 2015)
Verwaltungsdaten liefern auch Informationen zur Staatsbürgerschaft und zu langfristigen Aufenthaltsberechtigungen, die auf das bürgerschaftliche Engagement und die politische Beteiligung von Migrantinnen und Migranten hinweisen können.
Meinungsumfragen oder Befragungen sind zusätzliche Quellen, welche die Einstellung der aufnehmenden Gesellschaften zur Einwanderung messen (IOM, 2015). So gibt beispielsweise der Gallup World Poll auch einen Einblick in die Ansichten der Menschen zur Einwanderung. In dieser Umfrage werden die Menschen beispielsweise gefragt, ob sich das Einwanderungsniveau in ihren Ländern ändern solle und ob sie der Meinung seien, dass Einwanderinnen und Einwanderer meist Arbeitsplätze übernehmen, die die Bürger haben wollen oder nicht. Analysen und Ergebnisse dieses Gallup World Poll-Fragen werden im Bericht „How the World Views Migration“ der IOM vorgestellt. Darüber hinaus ist „My city of Migration“ (MyCOM) eine diagnostische Internet-Anwendung, die anhand einfacher Szenarien den Grad der Integration in fünf Modulen bewertet: als Neuankömmling, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Gesundheitswesen und am Wahltag. Auf der Basis dieser Module liefert das MyCOM-Diagnosetool ausführliche Informationen über die Vielfalt und Integration in „meiner“ Stadt.
Umfragen zu den Erfahrungen von Migrantinnen und Migranten oder gelegentlich auch Feldversuche messen zudem Diskriminierung, die ein Hindernis für die Integration von Migranten darstellt (EU-MIDIS, 2015; Heath et al. 2013; MPG 2011).
Weitere Datenquellen sind Untersuchungen und Indizes, die politische Maßnahmen zur Integration von Migrantinnen und Migranten messen, indem sie Gesetze verschiedener Länder vergleichen, die die Integration von Migrantinnen und Migranten regeln (Huddleston et al., 2015).
Mehrere spezifische Quellen haben Daten zur Integration von Migrantinnen und Migranten auf globaler oder regionaler Ebene zusammengeführt und analysiert. Einige Beispiele dafür sind:
- Die Europäische Kommission und die OECD führen Daten zu den wichtigsten Indikatoren für Integration in allen Ländern der Europäischen Union (EU) und der OECD zusammen, wobei der Schwerpunkt auf Drittstaatsangehörigen in der Europäischen Union und jungen Menschen mit Migrationshintergrund liegt.
- Eurostat untersuchte Befragungsdaten zu Beschäftigung, Bildung, sozialer Integration und Bürgerbeteiligung von Migrantinnen und Migranten, um die Integration in den EU-Ländern zu vergleichen.
- Der Migrationsintegrationspolitikindex (MIPEX) misst die Integrationspolitik von Migrantinnen und Migranten in den EU-Mitgliedstaaten, Australien, Kanada, Island, Japan, Republik Korea, Neuseeland, Norwegen, der Schweiz, der Türkei und den USA.
- Die Indikatoren der Migrationsregierungsführung (MGI), die einen Rahmen für die Migrationspolitik der Länder bilden, bewerten die Leistung von fast 40 Ländern in sechs Dimensionen des Migration Governance Framework der IOM, von denen einer sich auf das sozioökonomische Wohlergehen von Migrantinnen und Migranten bezieht.
- Der Weltmigrationsbericht 2013 der IOM präsentiert Gallup World Poll-Daten zum Wohlergehen von Migrantinnen und Migranten in mehr als 150 Ländern und liefert Informationen zur Integration von Migrantinnen und Migranten in einkommensschwachen Ländern, einem bislang selten untersuchten Gebiet.
- „International Migration, Integration and Social Cohesion“ (IMISCOE) heißt das europäische Netzwerk von Wissenschaftlern im Bereich Migration, Integration und Diversität. Es spielt eine entscheidende Rolle für den Brückenschlag zwischen Forschern, politischen Entscheidungsträgern und Organisationen der Zivilgesellschaft, indem es sie jährlich zur IMISCOE-Konferenz zusammenbringt.
- Das Centre on Migration, Policy, and Society (COMPAS) ist ein Forschungszentrum, das Theorien entwickelt, Wissen erarbeitet, eine informierte politische Entscheidungsfindung/öffentliche Debatte ermöglicht und die Datennutzer im Bereich Migration einbezieht. Die Verknüpfung von Migration und Integration ist eines der Kernforschungsgebiete des COMPAS.
- Das National Centre on Immigrant Integration Policy des Migration Policy Institute ist eine Plattform für Regierungsbeamte, gemeinnützige Organisationen, Pädagogen, Journalisten, Forscher, lokale Dienstleister und andere, die versuchen, auf die Herausforderungen und Chancen der Integration von Einwanderern in lokalen Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten und Europa zu reagieren.
Stärken und Schwächen der Daten
Die internationalen Gremien oder Organisationen und die Forschungseinrichtungen, die Daten auf globaler oder regionaler Ebene zusammengeführt und analysiert haben, haben die Untersuchung der Integration erheblich vorangetrieben. Diese Daten ermöglichen ein Verständnis dafür, wie es Einwanderern in einkommensstarken Ländern geht, und erleichtern den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Ländern.
Daten zur Integration von Migrantinnen und Migranten unterliegen jedoch folgenden Einschränkungen:
- Die meisten internationalen Untersuchungen zur Integration von Migrantinnen und Migranten basieren auf nationalen Erhebungen. In einigen Ländern stellen Einwanderer eine kleine Gruppe der Bevölkerung dar. Daher ist es nicht immer einfach sicherzustellen, dass die Daten die Merkmale dieser speziellen Gruppe widerspiegeln.
- Die verfügbaren Daten zur Integration decken nur eine begrenzte Anzahl von Ländern ab.
- Wie bei allen internationalen Vergleichen sind Begrifflichkeiten und Definitionen nicht immer länderübergreifend standardisiert. Beispielsweise können Länder unterschiedliche Auffassungen davon haben, wer als Einwanderer gilt. Darüber hinaus ist die Vorstellung, was eine „erfolgreiche“ Integration bedeutet, von Land zu Land unterschiedlich.
- Es hat Nachteile, sich auf die Unterschiede zwischen Migranten und Nicht-Migranten als zentrales Maß für die Integration zu verlassen. Wenn sich beispielsweise die Situation der Staatsangehörigen schneller verbessert als die der Einwanderer, kann es den Anschein erwecken, dass sich die Integration der Migrantinnen und Migranten verschlechtert, obwohl es diesen ebenfalls besser geht.
- Einfache Vergleiche oder ein außer Achtlassen des Umstands, dass die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten nicht allein davon abhängt, ein Einwanderer zu sein, täuschen darüber hinweg, dass es viele Faktoren gibt, die die Integration beeinflussen. So kann beispielsweise ein Einwanderer diskriminiert werden, weil er/sie ein/Eine Einwanderer/in ist, aber auch aufgrund seines/ihres Geschlechts, seiner/ihrer Religionszugehörigkeit, seines/ihres Alters oder seiner/ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Vergleiche zwischen Ländern sind komplex, da jedes Land seine eigene Politik und Geschichte der Migration hat (Huddleston et al., 2013). Länder können sehr unterschiedliche Migrantengemeinschaften aufnehmen, und die politischen Maßnahmen, die auf die Integration einwirken, können sehr unterschiedlich sein.
- Obwohl die Messung politischer Maßnahmen zur Integration von Einwanderern aufschlussreich ist, spiegeln ausgewählte Daten und Indizes politische Prioritäten und Entscheidungen nur wider, ob die Politik für die Integration maßgeblich ist und ob gute Integrationspolitik tatsächlich zu besseren Ergebnissen für Einwanderer führt. Einige bestehende Datenquellen, wie beispielsweise die Integrated Public Use Microdata Series (IPUMS), wurden nicht ausreichend genutzt.
Further reading
2015 Indicators of immigrant integration 2015: Settling in. OECD
Publishing, Paris.
International Organization for Migration (IOM)
2015 How the world views migration. Global Migration Data Analysis
Centre, IOM, Berlin.
Eurostat
2011 Indicators of immigrant Integration: A Pilot Study. European Union, Luxemburg.
Huddleston, T., Niessen, J., and Tjaden, J. D.
2013 Using EU indicators of immigrant integration. Final Report for
Directorate-General for Home Affairs. Brussels: European Commission.
Heath, A., T. Liebig and P. Simon
2013 Discrimination against Immigrants – measurement, incidence and
policy Instruments International Migration Outlook 2013, OECD Publishing, Paris
Huddleston, T. et al.
2015 Migrant Integration Policy Index 2015. Migration Policy Group,
Brussels.
Juran, S. and S. Rachel
2016 The potential of the 2010 population and housing census round
for international migration analysis. Conference background paper,
Improving Data on International Migration Towards Agenda 2030 and the
Global Compact on Migration, IOM, Berlin.