Internationale Wanderungsbewegungen
Daten zu Migrationsströmen beruhen auf der Anzahl derjenigen Personen, die in ein Land innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z. B. innerhalb eines Jahres) einwandern oder es verlassen (Zu- und Fortzüge) (UN SD, 2017). Daten zu Wanderungsbewegungen sind von grundlegender Bedeutung, um das weltweite Migrationsverhalten und die Auswirkungen unterschiedlicher Faktoren und Gesetze in den Herkunfts- und Zielländern auf die Wanderungsbewegungen zu verstehen. Im Gegensatz zu den Migrantenzahlen sind Schätzungen zu Zu- und Fortzügen von Migrantinnen und Migranten je Herkunfts- und Zielland auf globaler Ebene nicht verfügbar.Derzeit melden den Vereinten Nationen nur 45 Länder Daten zu Migrationsströmen (UN DESA, 2015).
Daten zur Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum (meist ein Kalenderjahr) zu- und abwandernden Migrantinnen und Migranten werden häufig mit den Migrantenzahlen verwechselt, die auf Schätzungen der Anzahl der in einem Land zu einem gegebenen Zeitpunkt lebenden Migrantinnen und Migranten beruhen (UN SD, 2017, eigene Hervorhebung).
Definition
Migrationsströme „entsprechen der Anzahl der innerhalb eines gegebenen Zeitraums (meist ein Kalenderjahr) in bzw. aus einem Land zu- bzw. auswandernden Personen“ (UN SD, 2017). Die einzelnen Länder nutzen bei der Erstellung von Statistiken zu Wanderungsbewegungen jedoch unterschiedliche Ansätze, Definitionen und Erhebungsverfahren. Die Definition des Begriffs „Migrant“ kann sich zudem mit der Zeit ändern und sich auch von Land zu Land unterscheiden.
Aktuelle Entwicklungen
Aufgrund der mangelnden Datengrundlage in vielen Regionen der Welt ist eine Darstellung aktueller Entwicklungen im Hinblick auf Migrationsströme schwierig. Jährliche und vergleichbare Daten zu Wanderungsbewegungen liegen hauptsächlich zu den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vor. Im Jahr 2016 betrug die Zahl ständiger Einreisen in OECD-Länder knapp 5.000.000. Nach einem starken Anstieg rund um die Jahrtausendwende und einem Spitzenwert im Jahr 2007 ging die Zahl ständiger Einreisen in OECD-Länder dann 2008 und 2009 aufgrund der globalen Finanzkrise stark zurück. Seit 2011 haben die Wanderungsbewegungen dann wieder um fast 25 % von 4 auf knapp 5 Mio. zugenommen (OECD 2017). Diese Steigerung ist hauptsächlich auf die humanitäre Migration nach Europa zurückzuführen. Nach dem Rückgang im Jahr 2017, der im Wesentlichen auf den Rückgang der humanitären Zuwanderungsströme zurückzuführen war, nahmen die Zuwanderungsströme in die OECD-Länder im Jahr 2018 wieder zu und beliefen sich auf rund 5,3 Millionen neue dauerhafte Zuwanderer (OECD, 2019). Globale Schätzungen auf Grundlage von Zensusdaten legen nahe, dass zwischen 2010 und 2015 0,5 % – ca. 37 Mio. Menschen – ihr Herkunftsland verlassen haben, um in einem anderen Land zu leben (Abel, 2016).
Datenquellen
Statistiken zu Migrationsströmen basieren je nach Land auf unterschiedlichen Datenquellen. So können Länder die Wanderungsbewegungen auf Grundlage von Verwaltungsdaten etwa zur Ausstellung befristeter und unbefristeter Aufenthaltsgenehmigungen oder anhand der Melderegister berechnen oder aber stichprobenartige Umfragedaten zugrunde legen. Einige Länder melden Daten zu den jährlichen Migrationsströmen auch an die Statistikabteilung der Vereinten Nationen (UN SD), die mit der Erhebung von Migrationsstatistiken auch zu Wanderungsbewegungen im Rahmen des Datenerfassungssystems Statistisches Jahrbuch beauftragt wurde. Bestimmte Länder melden ihre Daten darüber hinaus der OECD oder dem statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) . Die OECD-Daten zu langfristigen Wanderungsbewegungen unterscheiden zwischen verschiedenen Formen von Migration, etwa der Arbeits-, Familien- und humanitären Migration (OECD, 2019). Allerdings ist die Anzahl derjenigen Länder, die Daten zu solchen Wanderungsbewegungen melden, begrenzt und die Daten sind oft nicht vereinheitlicht.
Die UN-Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (UN DESA) erhebt seit 2005 Daten zur internationalen Wanderungsbewegungen in und aus ausgewählten Ländern. Die neueste Fassung aus dem Jahr 2005, enthält Daten zu 45 Ländern (43 davon zur Auswanderung) – eine kontinuierliche Steigerung von 15 Ländern im Jahr 2005 und 29 Ländern 2008. Eurostat verfügt über Daten zu Migrationsströmen, die nach Alter und Geschlecht aufgeschlüsselt sind und die 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz umfassen. Zusätzlich erstellt die UN-Statistikkommission Statistiken zu internationalen Reise- und Wanderungsbewegungen im Rahmen ihres Statistischen Jahrbuchs. Diese Daten sind nach Aufnahmegrund, Aufenthaltszweck, Alter und Geschlecht aufgegliedert. Raymer et al. (2013) legen zudem Schätzungen zum bilateralen Migrationsfluss nach Alter und Geschlecht für europäische Länder vor. Nawrotzki and Jiang (2015) schätzen die alters- und geschlechtsspezifischen Netto-Migrationsströme (Differenz zwischen Zu- und Fortzügen) um das Jahr 2000. Die Daten finden sich im öffentlich zugänglichen Datensatz „Community Demographic Model International Migration (CDM-IM)“.
Angesichts des Mangels an Daten zu Migrationsströmen haben Forscher eigene Schätzungen weltweiter (bilateraler) Migrationsströme auf Grundlage eines fünfjährigen Intervalls erstellt (siehe Abel und Sander, 2014; Raymer et al., 2013). Die Schätzungen beruhen auf Statistiken der Vereinten Nationen zur Veränderung der Migrantenzahlen im Zeitverlauf. Statistiken zu bilateralen Wanderungsbewegungen finden sich auch in der DEMIG Country-to-Country database (C2C) der Universität Oxford, die Daten zu bilateralen Migrationsströmen für 34 Länder und bis zu 236 Länder für den Zeitraum zwischen 1946 und 2011 enthält. Die Datenbank ist teilweise nach Geschlecht aufgeschlüsselt und ermöglicht zudem tiefergehende historische Einblicke.
Die Displacement Tracking Matrix (DTM) der IOM dient der Beobachtung von Bevölkerungsbewegungen und Mobilität und erfasst über ein bestimmtes Modul Daten zu Migrationsströmen in mehr als 30 Ländern. Das DTM Flow-Monitoring identifiziert Gebiete mit erhöhter Mobilität, bei denen es sich häufig um die zentralen Ein-, Aus- und Durchreiseorte handelt. Auf dieser Grundlage sollen quantitative Schätzungen zu Wanderungsbewegungen an bestimmten Orten erstellt und Daten zu den Profilen, Zielen und Bedürfnissen der wandernden Bevölkerung erhoben werden. Zu den dabei eingesetzten Materialien zählen nationale und lokale Ausgangswerte, Register zur Erfassung von Wanderungsbewegungen und vertiefende Untersuchungen.
Back to topStärken und Schwächen der Daten
Die Quantifizierung von Migrationsströmen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Analyse aktueller Wanderungsmuster und insbesondere der Rolle unterschiedlicher Faktoren und Politikansätze in den Herkunfts- und Zielländern. Die Einwanderungsstatistiken der OECD sind nach Einreisekategorien aufgeschlüsselt und geben an, ob Menschen wegen der Arbeit (einschl. Saisonarbeiter), der Familienzusammenführung, auf der Suche nach humanitärem Schutz oder aus anderen Gründen einwandern. Die Anzahl der Menschen, die sich in Regionen ohne Reisebeschränkungen wie der Europäischen Union oder den Mercosur-Staaten bewegen, wird in der Internationalen Migrationsdatenbank der OECD gesondert ausgewiesen.
Allerdings ist die Verfügbarkeit von Daten zu internationalen Migrationsströmen begrenzt:
- Entsprechende Daten liegen nur zu 45 Ländern weltweit vor (UN DESA, 2015) oder werden je nach Region geschätzt.
- Länder, die keine entsprechenden Daten melden, stützen sich häufig auf unterschiedliche Ansätze, Definitionen und Erhebungsverfahren, was die länderübergreifende Vergleichbarkeit der Daten erschweren kann.
- Das sogenannte „Flow Monitoring“ erfasst die Zu- und Abwanderung in bestimmten Ländern, beschränkt sich jedoch auf die internationale Migration. Dabei wird zwischen Hin- und Hin-/Rückwanderung unterschieden und eine systematische Auswahlgrundlage verwendet.
- Auch bei der Verwendung von Verwaltungsdaten zur Erstellung von Statistiken zu grenzüberschreitenden Migrationsströmen gibt es zahlreiche Herausforderungen. Denn diese Quellen erfassen im Wesentlichen Ereignisse (z. B. Ausstellung, Verlängerung und Aberkennung von Aufenthaltsgenehmigungen) und nicht notwendigerweise auch die tatsächlichen Migrationsbewegungen (etwa wenn eine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert wird, aber keine Ausreise stattfindet oder die Aufenthaltsgenehmigung zwar verlängert wird, aber dennoch eine Ausreise stattfindet).
Literaturhinweise
United Nations Department for Economic and Social Affairs Statistical Division (UN SD) | |
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2017 | Handbook on Measuring International Migration through Population Censuses. Background document. Statistical Commission, Forty-eighth session 7-10 March 2017, Item 4(a) of the provisional agenda, Demographic Statistics. UN, New York. |
Global Migration Group (GMG) | |
2017 | Handbook for Improving the Production and Use of Migration Data for Development. KNOMAD, World Bank, Washington, D.C. |
United Nations Department of Economic and Social Affairs (UN DESA) | |
2015 | International Migration Flows to and from Selected Countries: the 2015 Revision. |
Organization of Economic Cooperation and Development (OECD) | |
2017 | International Migration Database. OECD, Paris. |
2019 | International Migration Outlook 2019. OECD, Paris. |
Abel, G. J. and N. Sander | |
2014 | Quantifying global international migration flows. Science, 343 (6178):1520-1522. |
Abel, G. J. | |
2016 | Estimates of global bilateral migration flows by gender between 1960 and 2015. Vienna Institute of Demography. Working Papers 2/2016 |
Raymer, J., A. Wiśniowski, J. Forster, P. Smith and J. Bijak | |
2013 | Integrated modeling of European migration. Journal of the American Statistical Association, 108 (503): 801-819. |
International Migration Institute (IMI) | |
2017 | DEMIC C2C Data. University of Oxford, Oxford. |
Nawrotzki, R. J. and L. Jiang | |
2014 | Community Demographic Model International Migration (CDM-IM) Dataset : Generating Age and Gender Profiles of International Migration Flows. NCAR Technical Note NCAR/TN-508+STR, 41 pp, doi:10.5065/D6NS0RV2. |
Abel, G. J., and K.C. Samir and N. Sander | |
2013 | Examining the Role of International Migration in Global Population Projections. Conference paper, Vienna. |
Lemaitre, G., T. Liebig, C. Thoreau, P. Fron | |
2007 | Standardized statistics on immigrant inflows: results, sources and methods. OECD, Paris. |