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Definition
Im Atlas of Sustainable Development Goals 2017 wird zwischen drei verschiedenen Arten von Personalbeschaffungskosten unterschieden:
1. Kosten zur Einhaltung nationaler Gesetze und Bestimmungen im Herkunfts- und Zielland (z.B. Erhalt einer Arbeitsbewilligung oder medizinische Kontrollen);
2. Gebühren an Personalvermittler; und
3. Transportkosten zur Anreise.
Ein weiteres wichtiges Konzept zum Verständnis von Personalbeschaffungskosten ist der sogenannte Recruitment Cost Indicator (RCI). Dieser gibt an, wie viele Monatslöhne Wanderarbeitnehmerinnen und Wanderarbeitnehmer ausgeben, um die formellen Anforderungen an eine Stelle im Ausland zu erfüllen (KNOMAD, 2016).
Aktuelle Entwicklungen
Aus den Umfragen zu Migrationskosten (2016-2017) der gemeinsamen Initiative der Global Knowledge Partnership on Migration Development (KNOMAD) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) geht hervor, dass der Recruitment Cost Indicator (RCI) bei Arbeitsmigranten mit niedrigerem Einkommen höher ist (Ratha et al., 2018). Ferner erhalten Wanderarbeitnehmerinnen und Wanderarbeitnehmer, die hohe Personalbeschaffungskosten verursachen, tendenziell einen niedrigeren und seltener ausgezahlten Lohn als ihnen vertraglich zusteht (ebenda). Wanderarbeitnehmende in einer besonders prekären Lebenssituation müssen durchschnittliche höhere Personalbeschaffungskosten tragen.
So zeigt die nachstehende Grafik, dass Personalbeschaffungskosten stark von unterschiedlichen Migrationskorridoren abhängig sind. Häufig übersteigen die Kosten einen Monatslohn im Zielland (Abella and Martin, 2014).
Zum Beispiel zahlen Wanderarbeitnehmende aus verschiedenen Ländern mit dem Zielland Spanien oder Südkorea Personalbeschaffungskosten in Höhe etwa eines Monatslohns (bzw. 8 Prozent des Jahreseinkommens). Hingegen zahlen Migrantinnen und Migranten aus Pakistan im saudiarabischen Niedriglohnsektor Personalbeschaffungskosten, die circa elf Monatslöhnen (oder circa USD 4.400, Stand 2014) (Martin, 2016) entsprechen.
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Datenquellen
Aus verschiedenen Datenquellen können Informationen zu den Personalbeschaffungskosten auf globaler und regionaler Ebene bezogen werden.
Weltweite Datenerfassung
KNOMAD und die ILO haben gemeinsam zwei Umfragen zu Migrationskosten (Migration Cost Surveys, MCS) durchgeführt:
Die Umfrageserie im Zeitraum von 2015 bis 2016 umfasst zehn bilaterale Migrationskorridore und sieben Umfragen. Der Datensatz im Jahr 2015 umfasst folgende Korridore: Pakistan nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate, Äthiopien nach Saudi-Arabien, Indien nach Katar, Nepal nach Katar, Philippinen nach Katar, Vietnam nach Malaysia und Guatemala, Honduras und El Salvador nach Mexiko (nicht angestellte Arbeitnehmende).
Die Umfrageserie im Zeitraum von 2016 bis 2017 umfasst fünf Umfragen und die folgenden neun Migrationskorridore: Indien nach Saudi-Arabien, Philippinen nach Saudi-Arabien, Nepal nach Malaysia, Katar und Saudi-Arabien; Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan nach Russische Förderation (nicht angestellte Arbeitnehmende) und westafrikanische Länder nach Italien (nicht angestellte Arbeitnehmende).
Die KNOMAD und die ILO nahmen 2014 und 2015 zudem eine vergleichende Pilotstudie zu Personalbeschaffungskosten vor. Dabei sammelten sie Informationen aus Interviews mit Arbeitsmigranten, die in den Zielländern (Republik Korea, Kuwait und Spanien) angestellt wurden sowie mit Arbeitsmigranten, die nach einem Arbeitsaufenthalt in ihre Herkunftsländer (Äthiopien, Indien, Nepal, Pakistan und die Philippinen) aus Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zurückkehrten (Martin, 2016). Die Ergebnisse der ersten Umfragestudie wurden 2014 veröffentlicht (Abella und Martin, 2014). Weitere Daten, die im Rahmen dieser Studie erfasst wurden, sind in diversen Dokumenten veröffentlicht, darunter ein Tagungsbericht (Martin, 2016).
Im Rahmen des Ziels 10.7 der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung werden Staaten aufgefordert, „eine geordnete, sichere, reguläre und verantwortungsvolle Migration und Mobilität von Menschen [zu] erleichtern“. Als Maßgabe des Fortschritts beim Erreichen dieses Ziels wird folgender Indikator vorgeschlagen:
„Von Arbeitnehmenden zu tragende Personalbeschaffungskosten als Proportion des Monatslohns im Herkunftsland” (SDG 10.7.1).
Daher wurden in Zusammenarbeit mit diversen Interessenträgern und internationalen Organisationen, der ILO und der Weltbank neue Methodik-Richtlinien zur Messung von Personalbeschaffungskosten verfasst und nationalen Statistikämtern bei Workshops zur Stellungnahme vorgelegt. Im Zuge dieser Richtlinien wird anerkannt, dass Daten zu Personalbeschaffungskosten für verschiedene Führungsebenen benötigt werden. Gleichzeitig sei es wichtig, die Daten noch stärker zu differenzieren. In der Vergangenheit konnten gemeinsame Studien von KNOMAD und der ILO zeigen, dass Geringqualifizierte sowie angelerntes Personal hohe Personalbeschaffungskosten tragen. Die Streuung dieser Daten hebt besonders die Lage von Menschen in prekären Lebenssituationen hervor (KNOMAD-ILO, 2018). Aufgrund dieser methodischen Entwicklung wechselte der Indikator im November 2018 von Kategorie III zur Kategorie II der nachhaltigen Entwicklungsziele.
Regionale Datenerfassung
Asien: Die Arbeitsgruppe Open Working Group on Labour Migration and Recruitment unter Federführung des asiatischen Migrationsforums hat Daten zu den Personalbeschaffungskosten von Migrantinnen und Migranten veröffentlicht und nach Land aufgeschlüsselt (vgl. Open Working Group on Labour Migration and Recruitment, 2014).
Nord- und Südamerika: Das Southern Poverty Law Centre (SPLC, 2013) erfasste Daten zu Personalbeschaffungskosten von zentral- und südamerikanischen Arbeitern (aus Mexiko, Guatemala, Bolivien, Dominikanische Republik) in den Vereinigten Staaten. Auch das Centro de los Derechos Migrante (CDM, 2013) und der US-Rechnungshof (GAO, 2015) haben Daten zu Personalbeschaffungskosten von mexikanischen „Gastarbeitern“ in den Vereinigten Staaten gesammelt. Jedoch sind die im Rahmen der GAO-Studie verwendeten Daten nicht für sämtliche „Gastarbeiter“ repräsentativ.
Europa: Es gibt verschiedene deutsche Studien zum Thema Personalbeschaffungskosten, darunter Mühlemann und Pfeifer, 2013 sowie Mühlemann, Pfeifer and Wenzelmann, 2015.
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Methodische Stärken und Schwächen
Die verfügbaren Daten zum Thema Personalbeschaffungskosten zeigen, in welchem Ausmaß Arbeitnehmer ausgebeutet werden und helfen politischen Entscheidungsträgern dabei, faktenbasierte Instrumentarien zu entwickeln.
Da Personalbeschaffungskosten oft illegal erhoben werden, ist das Messen solcher Kosten im Rahmen von Umfragen methodisch problematisch:
Versteckte Kosten werden nicht erfasst - Die meisten verfügbaren Daten zu Personalbeschaffungskosten konzentrieren sich auf die Kosten im Zusammenhang mit Personalvermittlern oder auf Kosten im Zusammenhang mit der Anreise und der Integration im Zielland (Visum, Dokumente, Transport). Zu berücksichtigen sind jedoch auch i) Opportunitätskosten, die durch die Ausbildung und Vorbereitung im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt bei gleichzeitigem Lohnverzicht entstehen sowie ii) die sozialen Kosten aufgrund der Trennung von Familie und Freunden und eingeschränkter Rechte während des Auslandsaufenthalts. Würden diese beiden Dimensionen berücksichtigt, wären die Personalbeschaffungskosten deutlich höher (Martin, 2017).
Daten werden von Arbeitnehmenden, nicht jedoch den Arbeitgebenden mitgeteilt - Die meisten Daten werden im Rahmen von Interviews mit Wanderarbeitnehmenden erfasst. Würden bei der Datenerfassung auch Personalvermittler und Arbeitgeber berücksichtigt, könnten die Personalbeschaffungskosten besser abgeschätzt werden. Somit könnte ein besseres Verständnis für die Dynamik des Anstellungsverfahrens gewonnen werden (Martin, 2016).
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