Grenzüberschreitende Geldtransfers
Grenzüberschreitende Geldtransfers, üblicherweise verstanden als das Geld oder die Güter, die Migrantinnen und Migranten an Familien und Freunde in Herkunftsländern zurückschicken, sind oft die direkteste und am besten bekannte Verbindung zwischen Migration und Entwicklung. Grenzüberschreitende Geldtransfers übersteigen die öffentliche Entwicklungshilfe, sind aber private Mittel. Globale Schätzungen finanzieller Transfers von Migrantinnen und Migranten umfassen Transaktionen, die über das hinausgehen, was allgemein als Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten betrachtet wird, da die statistische Definition, die für die Erfassung von Daten über Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten herangezogen wird, breiter gefasst ist (siehe IMF, 2009). Außerdem decken solche Schätzungen informelle Transfers nicht mit ab. Transfers von Migrantinnen und Migranten können auch sozialer Natur sein, darunter Ideen, Verhaltensweisen, Identitäten, soziales Kapital und Wissen, das Migrantinnen und Migranten während ihres Aufenthalts in einem anderen Teil des Landes oder im Ausland erwerben und das in die Herkunftsgemeinden transferiert werden kann (Levitt, 1998: 927).
Infografik
Wesentliche Trends
Die Ströme der grenzüberschreitenden Geldtransfers in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC auf Englisch) werden im Jahr 2020 voraussichtlich um 7,2 Prozent auf 508 Milliarden US-Dollar und um 7.5 Prozent auf 470 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 fallen, einer der stärksten Rückgänge neuerer Zeit (Weltbank, 2020a). Nach Angaben der Weltbank geht diese Abnahme hauptsächlich auf die von der COVID-19 Pandemie verursachte Wirtschaftskrise zurück; die Pandemie hat für Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter einen Rückgang von Lohn und Beschäftigung (ibid.).
Die Weltbank sagt eine Abnahme der Geldtransfers in allen Regionen vorher: Europa und Zentralasien (-16%), Afrika südlich der Sahara (-8,8%), Südasien (-4%), Naher Osten und Nordafrika (-8%), Lateinamerika und der Karibik (-0,2%), und Ostasien und der Pazifik (-10,5%).
Dieser Rückgang tritt ein, nachdem grenzüberschreitende Geldtransfers eine Rekordhöhe von 554 Milliarden 2019 erreicht hatten, und damit ausländische Direktinvestitionen übertroffen hatten (Weltbank, 2020b). 2019 waren die fünf wichtigsten Empfängerländer der grenzüberschreitenden Geldtransfers Indien (83,1 Mrd. USD), China (68,4 Mrd. USD), Mexiko (38,5 Mrd. USD), die Philippinen (35,2 Mrd. USD) und die Arabische Republik Ägypten (26,8 Mrd, USD) (Weltbank, 2020). Relativ gesehen sind die fünf Länder, die gemessen als Anteil an ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in 2019 die meisten grenzüberschreitende Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten erhalten haben: Tonga (37,6%), Haiti (37,1%), Südsudan (34,1%), Kirgisische Republik (29,2%) und Tadschikistan (28,2%, Weltbank, 2020).
Die Kosten für die Überweisung von 200 USD nach Ländern mit mittlereren und niedrigen Einkommen beliefen sich im dritten Quartal 2020 auf 6,8 Prozent des gesendeten Betrags. Das liegt weit über der Zielsetzung von 3 Prozent im nachhaltigen Entwicklungsziel 10.c.1 (ibid.). Afrika südlich der Sahara hat weiterhin die höchsten durchschnittlichen Kosten für Geldtransfers, mit ca. 8,5 Prozent des Betrags; Südasien die niedrigsten durchschnittlichen Kosten mit 5 Prozent. Die Kosten für Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten in den anderen Regionen waren: Europa und Zentralasien (6,5%); Ostasien und Pazifik (7,1%); Naher Osten und Nordafrika (7,5%); und Lateinamerika und die Karibik (5,8%) (ibid.).
Trotz dieser Prognosen stachen einige Länder als Ausnahmen heraus, da sie im zweiten Quartal 2020 einem Rückgang der Geldtransfers entgangen waren und für das dritte Quartal einen Anstieg prognostizierten (ibid). In Mexiko beispielsweise waren die Überweisungen im März - dem Monat, in dem die Pandemie offiziell gemeldet wurde - 1,5-mal höher als im Vormonat (Banco de México, 2020) und stiegen im Juli erneut auf den dritthöchsten Stand seit Aufzeichnung um fast 7 Prozent (ibid.). Ökonomen führen dieses finanzielle Verhalten (oder den „Verkaufseffekt“ nach Sirkeci, Cohen und Ratha, 2012) weitgehend auf Wechselkursschwankungen und auf die Befürchtung von Migrantinnen und Migranten zurück, dass ihr Einkommen in den Zielländern sinken könnte, was sie dazu veranlasst, Ersparnisse an ihre Familien in Herkunftsländern zu senden, die vom Covid-19-Ausbruch stark betroffen sind (IOM, 2020). Auch in Lateinamerika ist ein ähnlicher Trend bei Geldtransfers in die Dominikanische Republik zu beobachten, die in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 bis zu 0,5 Prozent mehr Überweisungen verzeichnete als im gleichen Zeitraum des Jahres 2019 (Pew Research Center, 2020).
In Südasien nahmen trotz negativer Prognosen die Überweisungszuflüsse nach Pakistan und Bangladesch im Juli 2020 stark zu, wobei letzteres Land im dritten Quartal einen Anstieg von 53,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnete. Wirtschaftswissenschaftler bekräftigen, dass dieser Anstieg der Geldtransfers teilweise auf den „Haj-Effekt“ zurückzuführen ist, der sich auf pakistanische und bangladeschische Migrantinnen und Migranten bezieht, die das Geld nach Hause schicken, das sie für die Pilgerreise nach Mekka verwendet hätten, wenn nicht die Anzahl der ausgestellten Visa während der Pandemie stark reduziert worden wären (Weltbank, 2020a).
Es muss jedoch betont werden, dass andere Variablen neben Einkommensreduzierungen und Währungsschwankungen bei der Analyse von Änderungen der Überweisungsströme berücksichtigt werden müssen, die durch Krisen wie den COVID-19-Ausbruch ausgelöst wurden. Dazu gehört: Gesundheitsanfälligkeit, wirtschaftliche Rezession, mangelnder Zugang zu Krisenauffangsystemen (IOM, 2020), Entwicklungs- und Wachstumstrends in Entsendungs- und Zielländern, Konsumverhalten der Migrantinnen und Migranten, kulturelle Merkmale und Migrationserfahrungen (Sirkeci, Cohen und Ratha, 2012).
Definition
Transferzahlungen von Migrantinnen und Migranten werden allgemein als finanzielle oder Sachtransfers verstanden, die Migrantinnen und Migranten an Freunde und Verwandte in ihren Herkunftsgemeinden schicken. Die statistische Definition internationaler Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten spiegelt dieses allgemeine Verständnis jedoch nur teilweise wider.
Der Internationale Währungsfonds, der Hauptlieferant von auf Zentralbankdaten basierenden Statistiken über internationale Geldtransfers, definiert grenzüberschreitende Geldtransfers von in seinem Handbuch Zahlungsbilanzstatistiken als die Summe von zwei Hauptkomponenten:
(1) „Vergütung von Beschäftigten“: Das bezieht sich auf Einkommen, das von vorübergehenden Wanderarbeitnehmern im Gastland erwirtschaftet wird, und das Einkommen von Arbeitnehmern, die von Botschaften, internationalen Organisationen und ausländischen Unternehmen beschäftigt werden (oder „das Einkommen von Grenz-, Saison- und anderen kurzfristigen Arbeitnehmern, die in einem Wirtschaftsraum beschäftigt werden, in dem sie nicht ansässig sind, und von Ansässigen, die von nicht gebietsansässigen Organisationen beschäftigt werden“ (IMF, 2009: 272). Es ist wichtig zu unterstreichen, dass das gesamte Einkommen von Zeitwanderarbeitnehmern in diese Definition einbezogen wird, obwohl das Einkommen unter Umständen nie tatsächlich (oder zumindest nicht vollständig) ins Herkunftsland transferiert wurde, da Migrantinnen und Migranten auch ihre eigenen Lebenshaltungskosten decken müssen. Des Weiteren zählen auch die Gehälter des Personals ausländischer Arbeitgeber (wie Botschaften oder transnationale Unternehmen) als Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten, da diese Beamten, Diplomaten, Militärangehörigen und anderen als Ansässige des Herkunftslandes betrachtet werden (IWF, 2009), obwohl die meisten dieser Beschäftigten eventuell nicht wirklich Migrantinnen oder Migranten sind und dieses Geld nicht an einen anderen Ort transferieren.
(2) “Persönliche Transfers”: Dabei handelt es sich um alle laufenden Transfers in Form von Geld oder Sachleistungen, die von Ansässigen (egal ob Migrantinnen und Migranten oder nicht) an oder von Personen in anderen Ländern getätigt oder empfangen werden („alle laufenden Transfers zwischen ansässigen und nicht ansässigen Personen“ (IMF, 2009: 273).
Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten können auch innerhalb von Ländern getätigt werden und nicht nur über Grenzen hinweg. Dann spricht man von internen Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten. Des Weiteren handelt es sich nicht bei allen Transfers von Migrantinnen und Migranten um finanzielle oder Sachleistungen. Soziale Transfers von Migrantinnen und Migranten werden definiert als „die Ideen, Verhaltensweisen, Identitäten und das soziale Kapital, die von Gemeinschaften im Aufnahmeland an Gemeinschaften im Ausreiseland fließen“ (Levitt, 1998: 927). Soziale Transfers von Migrantinnen und Migranten umfassen innovative Ideen, wertvolle transnationale Netzwerke, Kenntnisse, politische Werte, politische Reformen und neue technologische Fähigkeiten.
Back to topDatenquellen
Die Weltbank liefert jährliche Schätzungen von Geldtransferströmen von Migrantinnen und Migranten weltweit (und bilateral) basierend auf nationalen Zahlungsbilanzstatistiken, die von Zentralbanken erstellt und vom IWF kompiliert werden. (Siehe die Definitionen der beiden Hauptkomponenten von grenzüberschreitende Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten, die Beispiele dafür liefern, was eingerechnet wird und was nicht [Plaza und Ratha, 2017: 65-78]). Die Daten decken den Zustrom von Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten in Länder und ihren Abfluss aus Ländern ab. Letzterer ist in Debatten über Migration und Entwicklung weniger präsent, kann aber ein Indikator für bedeutende Einwandererpopulationen in einem Land sein, insbesondere wenn er den Zustrom von Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten übersteigt.
Die Basis für Schätzungen bilateraler Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten sind gewichtete Daten zum Migrantenbestand, das gewichtete Einkommen von Migrantinnen und Migranten basierend an ihrem Pro-Kopf-Einkommen im Zielland und das gewichtete Einkommen im Herkunftsland der Migrantinnen und Migranten (Ratha und Shaw, 2007: 43).
Die Weltbank erstellt außerdem vierteljährliche Schätzungen der Transaktionskosten für Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten. Das sind die „durchschnittlichen Transaktionskosten für das Senden von Geld in ein bestimmtes Land“ und sie werden berechnet als „der einfache Durchschnitt der Gesamttransaktionskosten in Prozent, die für das Verschicken von 200 USD in ein bestimmtes Land von jedem einzelnen Zahlungsdienstleister, der in der Datenbank Remittance Prices Worldwide (RPW) enthalten ist, erhoben werden“. Die Forscher der Weltbank leiten diese Schätzungen entweder aus Transaktionen ab, die sie selbst durchführen, um die Preise festzustellen, oder durch Erfragen der Transferkosten bei einer Reihe von Banken und Geldtransferdiensten (Alvarez et al., 2015: 45; IOM, 2017).
Seit 2007 veröffentlicht die Finanzierungsfazilität für Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten (FFR) des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) Daten und Statistiken zu Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten im Rahmen einer Reihe von Berichten unter dem Titel Sending Money Home basierend auf Daten unter anderem von Zentralbanken, dem IWF und der RPW-Datenbank der Weltbank. Die Berichte decken zentrale Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten betreffende Fragen sowohl aus globaler als auch aus regionaler Perspektive ab und bieten Vergleichsindikatoren, um die Bedeutung von Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten unter Regionen und Subregionen zu messen. Der aktuellste Bericht (2017) enthält Daten und Analysen von Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten und Migrationstrends für Entwicklungsländer im vergangenen Jahrzehnt sowie den potentiellen Beitrag von Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten zu den nachhaltigen Entwicklungszielen.
2018 führte die FFR des IFAD RemitSCOPE ein, ein Online-Tool, das regionale, subregionale und nach Ländern aufgeschlüsselte Daten und Analysen des Überweisungsmarkts liefert. Es zielt darauf ab, die sich schnell ändernden Marktgegebenheiten in der Überweisungsbranche abzubilden, um dabei zu helfen, die Ziele der Familien, die Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten erhalten, als Kunden und die Strategien der privatwirtschaftlichen Dienstleister zusammenzubringen. RemitSCOPE liefert Marktprofile für 50 Länder oder Gebiete in Asien und dem pazifischen Raum, aber weitere Regionen der Welt sollen schrittweise einbezogen werden.
Back to topStärken und Schwächen von Daten
Die Schätzungen der Weltbank werden verwendet, um einen großen Datensatz zu liefern, der die meisten Länder der Welt abdeckt. So kann der Nutzer Trends und den Umfang von Überweisungen verstehen, indem er sie mit anderen Strömen wie der öffentlichen Entwicklungshilfe vergleicht. Die Schätzungen sind jedoch alles andere als exakt, was an den unten umrissenen methodischen Herausforderungen liegt (Alvarez et al., 2015; Weltbank, 2016; Plaza und Ratha, 2017).
Die Zahlungsbilanzkategorie “Vergütung von Beschäftigten”, wie sie vom IWF definiert wird, kann Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten unter Umständen bedeutend überschätzen, wenn ein Land eine große UN- und/oder Botschaftspräsenz hat und Fabriken transnationaler Konzerne beherbergt, die viele Arbeiter beschäftigen. Diese Mitarbeiter werden als „nicht ansässig“ oder Migrantinnen und Migranten im Land gezählt und ihre gesamte Entlohnung wird als Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten erfasst. Es ist daher nicht möglich festzustellen, ob die offiziellen Zahlen von IWF und Weltbank für diese Länder korrekt sind oder bedeutende Überschätzungen vorliegen, da die Vergütung der Mitarbeiter von Botschaften, UN und ausländischen Unternehmen ebenfalls gezählt wird (Alvarez et al., 2015).
Statistisch gesehen können Migrantinnen und Migranten, die seit mindestens zwölf Monaten in einem Land leben, nicht von anderen Einwohnern unterschieden werden, die keine Migrantinnen oder Migranten sind, da diese Statistiken auf dem Aufenthalt basieren und nicht auf dem Migrantenstatus (Alvarez et al., 2015: 43). In der zweiten Komponente der grenzüberschreitende Geldtransfers – „persönliche Transfers“ – berücksichtigt der IWF, ob ein Transfer über Grenzen hinweg getätigt wird, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, der Nationalität oder dem Geburtsland einer Person, da diese Informationen oft nicht verfügbar sind. Beim Empfänger oder Sender des Geldtransfers kann es sich daher nicht nur um eine Migrantin oder einen Migranten handeln, sondern beispielsweise auch um einen Staatsbürger mit Verbindungen in ein anderes Land. Somit können Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten mit größeren Geldsummen zusammengefasst sein, die von privaten Investoren und Diaspora-Mitgliedern für geschäftliche Investitionen, Immobilienkäufe und andere finanzielle Transaktionen verschickt werden. Das führt zu einer wahrscheinlich zu hoch angesetzten Schätzung von diesen Transfers.
Zum Vergleich der Schätzungen von grenzüberschreitende Geldtransfers für verschiedene Zeitpunkte muss angemerkt werden, dass die dokumentierte weltweite Zunahme von Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten in den letzten Jahren tatsächlich aus Veränderungen beim Messen von Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten entstanden sein kann, anstatt aus einer wirklichen Zunahme dieser Finanzströme (Ratha, 2003; World Bank, 2006; Clemens und McKenzie, 2014). Fast 80 Prozent der Zunahme aufgezeichneter grenzüberschreitende Geldtransfers für den Zeitraum 1990–2010 kann auf Änderungen der Messung zurückgeführt werden, und nur ein Fünftel spiegelt eventuell Veränderungen aufgrund einer höheren Anzahl internationaler Migrantinnen und Migranten und des Einkommens, das diese in den Zielländern wahrscheinlich erwirtschaften, wider. Zusätzlich wurde zum einen die Berichterstattung über mit Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten verbundene Transaktionen verbessert und zum anderen haben Migrantinnen und Migranten zunehmend formellere Zahlungsmethoden verwendet, da die informellen Kanäle als Teil der Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche weniger geworden sind (ebd.).
Außerdem muss man bedenken, dass sich die Schätzungen von IWF und Weltbank auf grenzüberschreitende Geldtransfers konzentrieren, die über offizielle Kanäle wie Banken erfolgen. Nicht alle kleinen Transaktionen, die Migrantinnen und Migranten über Geldtransferunternehmen (wie Westen Union), Postämter und mobile Transferunternehmen (wie M-Pesa in Kenia) durchführen, werden in allen Ländern mit einbezogen, und ebenso wenig informelle Transfers (beispielsweise über Freunde, Verwandte oder Transportunternehmen, die in die Herkunftsgemeinde zurückkehren), je nach den Datenquellen, die die verschiedenen Zentralbanken heranziehen. Da diese Transfers, die in Zahlungsbilanzen nicht systematisch eingeschlossen werden, ihrem Volumen nach erheblich sein können, insbesondere im Kontext von Süd-Süd-Migration, liegen die offiziellen Zahlen wahrscheinlich ganze 50 Prozent unter dem tatsächlichen Ausmaß des Phänomens (Irving et al., 2010; World Bank, 2011). Aufgrund des weitgehend unbekannten Umfangs informeller Transfers melden einige Länder, insbesondere im Afrika südlich der Sahara, dem IWF in ihren Zahlungsbilanzen keine Zahlen zu Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten. Daten über Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten variieren auch von Land zu Land aufgrund der Unterschiede der Datenverfügbarkeit, der nationalen Gesetzgebung und der politischen Rahmenbedingungen, sodass die Staatsbürgerschaft anstelle des Aufenthaltsstatus in der Definition und für die Vereinfachung der Datenverarbeitung herangezogen wird (Irving et al., 2010; World Bank, 2011; Plaza und Ratha, 2017).
Das Ausmaß der Über- und Unterschätzungen ist jedoch unbekannt und schwer zu berechnen (IOM, 2017). Spezifische, repräsentative Erhebungen zu Migration und Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten können detailliertere und zuverlässigere Informationen auf nationaler oder lokaler Ebene liefern (World Bank, 2011). Das schließt auch Warentransfers zum Beispiel in Form von Konsumgütern ein, die nicht Teil der offiziellen Aufzeichnungen sind, aber beträchtlich sein können, insbesondere im Süd-Süd-Kontext (Melde und Schicklinski, 2011).
Schätzungen bilateraler Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten sind anfällig aufgrund der Beschränkungen von Daten zum Migrantenbestand, die hier beschrieben werden. Die Berechnung basiert auf dem Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf im Herkunftsland der Migrantin oder des Migranten und kann daher kein Beleg für ein dort höheres BNE sein, da von der Annahme ausgegangen wird, dass Migrantinnen und Migranten in Länder mit höherem Einkommen gehen. Des Weiteren räumt die Weltbank Probleme dahingehend ein, dass ein Transfer manchmal nicht einem konkreten Land zugeordnet werden kann, insbesondere wenn er über eine internationale Bank läuft (Ratha und Shaw, 2007). Es ist daher wichtig zu unterstreichen, dass es sich hier um berechnete Schätzungen handelt und nicht um genaue Zahlen (Alvarez et al., 2015).
Das Testen von Geldtransferkanälen von Migrantinnen und Migranten mithilfe fiktiver, von Weltbankanalysten durchgeführter Geldtransfers ist ebenfalls mit bedeutenden Beschränkungen verbunden. Nur wenige Korridore werden überwacht. Unterschiede bei den Transaktionskosten abhängig vom gesendeten Betrag, wobei bei den höheren Beträgen aller Wahrscheinlichkeit nach weniger Kosten anfallen, verzerren den repräsentativen Charakter relevanter Daten. Die Kosten können sich auch schnell ändern, was bedeutet, dass die berichteten Transaktionskosten schnell veraltet sind (Alvarez et al., 2015; IOM, 2017). Nichtsdestotrotz können Schätzungen von Transaktionskosten dabei helfen, den Fortschritt hin zu der im nachhaltigen Entwicklungsziel (SDG) enthaltenen Zielsetzung einer Reduzierung der Versandkosten auf 3 Prozent des gesendeten Betrages zu überwachen.
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